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Zashiki Warashi Zeichnung von Jeremie Michels. Das Bild zeigt eine Zashiki Warashi, die wie ein japanisches Mädchen in einem roten Kimono und mit Pagenschnitt aussieht. Sie spielt mit einem Kendama. Im Hintergrund sieht man ein traditionell japanisches Zimmer mit Tatamimatten und Papierwänden.

Zashiki Warashi – Sie darf niemals gehen!

Zashiki Warashi sind japanische Hausgeister, die ich Anfang des Jahres erstmals in dem Videospiel „Ghostwire: Tokyo“ kennengelernt habe. Seitdem hatte ich mir fest vorgenommen, einen Beitrag über sie zu schreiben. Sogar die Grundidee für die Geschichte steht schon seit einigen Monaten, auch wenn ich sie damals noch aus Sicht der Eltern erzählen wollte.

Trotzdem möchte ich an dieser Stelle vorwarnen, dass es diesmal eine traurige statt einer gruseligen Geschichte wird.

Viel Spaß beim Lesen!

Triggerwarnungen

– Tod

Die Geschichte:

Habt ihr schonmal einen Geist gesehen? Ein Junge aus meiner Schule hatte mir mal erklärt, dass Geister böse Wesen seien, die unsichtbar durch alte Häuser schleichen und Leute erschrecken – oder Schlimmeres. Auch wenn ich damals noch nicht wusste, was er mit ‚Schlimmeres‘ meinte.

Was ich ebenfalls nicht wusste, war, dass ich damals schon viele Jahre mit einem Geist zusammengelebt hatte. Aber lasst mich meine Geschichte am Anfang beginnen.

Mein Name ist Haruto und ich lebe in Japan. Als die Ereignisse sich überschlugen, war ich gerade 7 Jahre alt gewesen. Ich hatte zusammen mit Papa in einem uralten Haus in der Präfektur Iwate gewohnt. Meine Mama sah ich hingegen nur alle paar Wochen. Papa und sie waren geschieden. Aber das machte mir nichts, weil Papa mich wirklich sehr liebte. Er hat mir jedes Spielzeug gekauft, das ich haben wollte, konnte nur selten ‚nein‘ zu mir sagen – vielleicht lag das aber auch an seinem schlechten Gewissen, weil er oft lange arbeiten musste und ich meist allein zuhause war. Nur, dass ich nicht allein war.

Es gab da ein Mädchen, das mit uns in unserem Haus wohnte. Wobei sie mir mal gesagt hatte, dass sie schon viel länger als wir dagewesen war. So gesehen lebten wir also in ihrem Haus. Jedenfalls spielte das Mädchen, das weder einen Namen noch einen Geburtstag hatte, oft mit mir. Sie brachte mir Lieder und Gedichte bei, zeigte mir Spiele, die ich selbst aus der Schule nicht kannte, und war immer für mich da, wenn ich sie brauchte.

Papa wusste natürlich von ihr, auch wenn er sie nicht sehen konnte. Ich hatte ihm aber gesagt, dass sie etwa in meinem Alter war, einen roten Kimono trug und mittellange schwarze Haare hatte. Papa meinte, man nenne die Frisur einen Pagenschnitt, nachdem ich sie ihm genauer beschrieben hatte.

Jedenfalls hatte Papa das Mädchen immer meine imaginäre Freundin genannt. Und was soll ich sagen? Mein Leben war gut gewesen, als er sie noch so genannt hatte. Zumindest meistens. Denn das Mädchen spielte gerne Streiche. Und weil Papa sie nicht sehen konnte, gab er oft mir die Schuld daran. Manchmal war ich deswegen richtig wütend.

Einmal zum Beispiel, war das Mädchen barfuß durch unsere Feuerstelle, wie man sie in fast allen alten japanischen Häusern findet, gerannt. Sie war danach mit ihren vor Ruß schwarzen Füßen quer durchs Wohnzimmer gelaufen und hat überall auf den teuren Tatami-Matten ihre rußigen Fußabdrücke hinterlassen.

Papa hat getobt, als er es gesehen hat. Wie immer hatte er mir die Schuld daran gegeben. Es war eines der wenigen Male, dass er mich angeschrien hat. Er hat mir gedroht, mir einen Monat lang keine Süßigkeiten mehr zu kaufen, und ich durfte eine ganze Woche kein Fernsehen. Tagelang habe ich kein einziges Wort mehr mit dem Mädchen geredet. Aber wie es nun einmal bei besten Freunden ist, haben wir einander am Ende doch wieder verziehen.

Die meisten anderen ihrer Streiche waren harmloser. Zum Beispiel stellte sie gerne den Fernseher aus, wenn Papa Nachrichten sah. Die fanden wir beide immer so langweilig. Oder sie machte Geräusche im Nebenzimmer, wenn ich allein zuhause war. Das war nachts manchmal ganz schön gruselig. Trotzdem war ich glücklich.

Das alles änderte sich jedoch an einem einzigen Abend. Papa hatte wichtige Männer von der Arbeit zu Besuch und mich darum gebeten, nicht zu laut zu sein. Also saßen das Mädchen und ich im Nebenzimmer und sahen gemeinsam fern.

Zuerst war alles ruhig. Ihr gefiel die Serie, die wir schauten – bis eine Folge kam, die sie schon kannte.

Ich verfolgte sie mit meinen Augen, wie sie aufstand und verträumt durch den Raum wanderte. Sie ging weg vom Sofa, vorbei am Esstisch und stand schließlich direkt vor Papas Bücherregal.

Zuerst sah es so aus, als würde sie die Bücher durchsehen und überlegen, welches sie als Nächstes lesen wolle – auch wenn ich sie noch nie etwas lesen gesehen habe. Als sie sich scheinbar für ein Buch entschieden hatte, griff sie danach. Auf halber Strecke drehte sie jedoch ihren Kopf zu mir. Jetzt bemerkte ich ihr verschmitztes Grinsen.

„Nein! Nicht!“, flüsterte ich in den Raum, gerade so laut, dass sie mich hoffentlich verstehen würde.

Aber es brachte nichts. Entweder hatte sie mich tatsächlich nicht gehört, oder aber entschlossen, mich zu ignorieren.

Wumm!‘, ertönte es laut, als der schwere Wälzer auf eine der Tatami-Matten fiel. Zwar dämpfte die Matte das Geräusch, durch die dünnen Papierwände dürften Papa und seine Gäste es aber trotzdem deutlich gehört haben.

Dann fiel auch schon das zweite Buch: Wumm! Und das dritte: Wumm!

„Bitte, hör auf!“, flehte ich.

Aber aus dem Nebenzimmer waren bereits schwere Schritte zu hören. Dann schob Papa die Schiebetür auf. „Alles in Ordnung, Haruto?“, fragte er sofort.

Ehe ich etwas erwidern konnte, fiel sein Blick jedoch auf die drei am Boden liegenden Bücher. Das Mädchen stand wie ein Unschuldsengel daneben. Papa sah einfach durch sie hindurch.

„Ich hatte dich doch gebeten, ruhig zu sein“, mahnte er, während er zum Bücherregal ging, um die Bücher zurückzulegen. Dass ich noch immer auf dem Sofa saß und mich keinen Zentimeter davon wegbewegt hatte, schien er zu ignorieren. „Was wolltest du überhaupt mit den Büchern?“

„Gar nichts!“, protestierte ich. „Ich hab die Bücher nicht einmal angefasst. Das war das Mädchen!“

Papa seufzte schwer. „Alles klar“, sagte er. „Dann sag deiner Freundin bitte, dass sie die Bücher im Regal lassen soll. Dein Papa muss ein wirklich wichtiges Gespräch führen. Es geht um die Zukunft der Firma.“ Dann war er auch schon wieder im anderen Raum verschwunden. „Tut mir leid. Meinem Sohn ist nur etwas heruntergefallen“, hörte ich ihn noch sagen, ehe er die Tür schloss und seine Stimme in einem dumpfen Gemurmel unterging.

Nie glaubte Papa mir! Aber das war ich ehrlich gesagt schon gewohnt. Daher war ich bereits dabei, es zu ignorieren, mich wieder dem Fernseher zu widmen, als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung sah: Das Mädchen kam mit einem frechen Grinsen auf mich zugerannt. Moment. Sie rannte nicht auf mich zu, sondern an dem Sofa vorbei. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie die Tür ansteuerte, durch die Papa eben verschwunden war. Ich sprang entsetzt auf. Ihr breites Grinsen verhieß nichts Gutes.

„Warte!“, sagte ich leise, während ich auf sie zulief.

Aber es war zu spät. Mit einem Kichern riss sie die Schiebetür auf und schlug sie dann mit voller Wucht zu. Der Knall hallte durch das ganze Haus. Auf der anderen Seite der Papierwand war es plötzlich totenstill geworden.

„Entschuldigen Sie mich kurz“, hörte ich Papas gedämpfte Stimme. Dann erklangen wieder seine Schritte.

Ich stand wie erstarrt nur wenige Meter von der Tür entfernt, während Papa sie aufschob. Er sagte jedoch nichts, ehe er die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte.

„Was hab ich dir gesagt?“, fragte er mit gesenkter Stimme. Ich konnte deutlich hören, dass er böse mit mir war.

„Dass ich ruhig sein soll …“, erwiderte ich kleinlaut. Obwohl ich mich daran gehalten hatte, musterte ich schuldbewusst den Boden.

„Und was hast du dann getan?“, drängte er.

Ich sah ihn mit großen Augen an. „Gar nichts!“, protestierte ich laut. „Ich hab gar nichts gemacht! Das war das Mädchen! Sie hat die Bücher runtergeworfen und die Tür zugeschlagen!“

Sie kicherte frech, Papa schien es jedoch nicht zu hören.

Stattdessen bildete sich ein Ausdruck der Enttäuschung auf seinem Gesicht. „Haruto, du kannst nicht immer deiner Freundin die Schuld an allem geben! Sei wenigstens Mannes genug und gib zu, dass du den Unfug angestellt hast!“

„Aber ich war das nicht!“

„Einen Tag Fernsehverbot!“, drohte er.

„Papa, nein! Das war das Mädchen! Wirklich!“

„Also gut: Zwei Tage!“

Inzwischen standen mir Tränen in den Augen. Das war so unfair! Ich hatte doch gar nichts gemacht! Also wandte ich mich an meine Freundin. „Bitte, du musst es ihm sagen! Sag ihm, dass du das warst!“, flehte ich.

Papa schüttelte enttäuscht den Kopf. „Haruto, es reicht! Ich finde das langsam nicht mehr witzig! Du musst endlich aufhören, deine Schuld immer … deine … deine Schuld …“ Papa stammelte plötzlich.

Als ich wieder zu ihm sah, starrte er das Mädchen direkt an, als könne er sie plötzlich sehen. Seine Kinnlade klappte herunter.

„Haruto hat recht. Ich war das“, erklärte das Mädchen Papa seelenruhig. „Erst war das ganz lustig, aber wenn Sie so böse werden, macht das keinen Spaß.“

Ungläubig starrte ich zwischen Papa und meiner Freundin hin und her. Es war das erste Mal, dass Papa sie sehen konnte.

Ich weiß noch genau, wie Papa zu uns gesagt hatte, dass wir später darüber reden würden. Er ist dann, ohne ein weiteres Wort zu sagen, zu seinen Gästen zurückgegangen. Ich hatte ihn noch nie so überfordert gesehen.

Es war am selben Abend, nachdem die Männer weg waren, als Papa mich gebeten hatte, einen Spaziergang mit ihm zu machen. Meine Freundin, die er immer noch sehen konnte, blieb zuhause. Sie verließ nie das Haus. Draußen erklärte mir Papa dann, was es mit dem Mädchen auf sich hatte.

„Wir haben wirklich Glück, weißt du das?“, hatte er gefragt. „Deine Freundin ist eine Zashiki Warashi. Das sind Kinder, die den Bewohnern ihrer Häuser Glück bringen.“

Ich nickte, auch wenn er mir das gar nicht sagen musste. Das Mädchen hatte mich schließlich schon seit Jahren glücklich gemacht! Bei dem Gespräch ahnte ich jedoch noch nicht, dass Papa eine andere Art von Glück im Sinn hatte.

„Aber da ist noch etwas“, fuhr er fort. „Wenn Zashiki Warashi ein Haus verlassen, verliert man das Glück. Es heißt, dass dann großes Unheil über das Haus und die Bewohner kommt. Dann kann etwas wirklich Schlimmes passieren. Das bedeutet, wir müssen deine Freundin immer gut behandeln und du darfst nie mit ihr streiten, verstehst du?“

Ich verstand nicht. Sie war meine beste Freundin, natürlich kam es da mal vor, dass man sich stritt. Trotzdem nickte ich. Ich wusste, dass es sinnlos war, Papa zu widersprechen.

Um ehrlich zu sein, hatte ich das Gespräch mit Papa schnell wieder vergessen. Es war mir egal, was das Mädchen war oder was man über diese Zashiki Warashi sagte. In dem Moment war ich einfach nur glücklich, dass Papa sie jetzt auch sehen und wir von da an zu dritt spielen konnten.

Wie sehr ich mich darin geirrt hatte … Papa wollte überhaupt nicht mit ihr spielen, auch wenn ich das anfangs geglaubt hatte, als er am nächsten Tag ihr statt mir neue Spielsachen kaufte. Zu meiner Überraschung verbot er mir jedoch, mit ihnen zu spielen, wenn das Mädchen nicht dabei war.

Und auch die Süßigkeiten, die er sonst immer mir mitgebracht hat, bekam jetzt meine Freundin. Zum Glück teilte sie gerne und viel mit mir, aber trotzdem verstand ich Papas Verhalten nicht.

Vielleicht liegt es daran, dass ich das Wort ‚Gier‘ damals noch nicht kannte. Oder ich wollte nicht erkennen, dass Papa einer Art Wahnsinn verfallen war. Seit er das Mädchen sehen konnte und sie nur noch ‚Zashiki Warashi‘ nannte, war er wie ausgetauscht.

Zum einen wirkte er oft glücklich, wenn er von der Arbeit kam, und er hatte seit seiner Beförderung sogar mehr Freizeit, zum anderen schien er mir kaum noch Beachtung zu schenken. Immer nur ging es um seine Zashiki Warashi. Zashiki Warashi hier, Zashiki Warashi da. Sei nicht so gemein zu ihr, Haruto! Sprich nicht so mit der Zashiki Warashi! Es ist mir egal, wer von euch angefangen hat, ich gebe dir die Schuld!

Zwar beschuldigte er mich nicht mehr für die Streiche, die das Mädchen weiterhin gerne spielte, aber das war nur ein geringer Trost für mich. Obwohl Papa viel öfter zuhause war, hatte ich mich noch nie so einsam gefühlt. Manchmal kam ich mir vor, als würde ich für Papa gar nicht mehr existieren.

Meine Freundin hatte das natürlich auch bemerkt. Über Wochen hinweg hatten wir gemeinsam versucht, ihn dazu zu bringen, mich wieder mehr zu beachten. Aber auch, wenn er zu dem Mädchen immer Ja und Amen sagte, wenn sie ihn darum bat, änderte er am Ende doch nichts an seinem Verhalten. Sie blieb weiterhin der Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit.

Ich konnte mich inzwischen nicht einmal mehr für ihn freuen, als er sich ein neues Auto leisten konnte, das er schon wirklich lange haben wollte, oder er mir – oder viel mehr der Zashiki Warashi, während ich daneben saß – erzählte, dass er wahrscheinlich bald der neue Chef seiner Firma sein würde.

Es war nach einem unserer Gespräche mit Papa, dass er mich zu wenig beachte, dass meine Freundin mir einen neuen Vorschlag machte. Das Gespräch war nicht gut geendet. Das Mädchen hatte geweint, weil Papa einfach nicht einsehen wollte, dass er mich anders behandelte als früher. Sie gab sich die Schuld daran. Und zu allem Überdruss hatte Papa mich dann auch noch vor ihr angeschrien, dass ich sie zum Weinen gebracht hätte. Er hat mich sofort auf mein Zimmer geschickt.

Dort saß ich nun mit an die Brust gezogenen Knien auf meinen Futon. Ich sah nicht einmal auf, als das Mädchen mein Zimmer betrat und sich zu mir setzte.

„Ich habe nachgedacht“, begann sie. „Vielleicht ist es besser, wenn ich gehe. Dann können du und dein Papa wieder Freunde sein, so wie früher.“

Ich sah sie mit großen Augen an. „Wie ‚gehen‘? Wohin gehst du denn?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Aber es gibt da draußen noch so viele andere Häuser. Bestimmt gibt es da auch irgendwo einen netten Jungen oder ein nettes Mädchen, mit dem ich spielen kann. Und du hättest deinen Papa zurück.“

Ich schluckte schwer. „Nein. Du darfst nicht gehen! Ich brauch dich doch!“

Sie lächelte traurig. „Aber du brauchst deinen Papa mehr als mich. Ich sehe doch, wie es dir geht. Und was ist mit den Kindern aus deiner Schule? Ich bin sicher, du findest einen neuen besten Freund.“

Wir redeten noch eine ganze Weile darüber, aber in meinem Herzen wusste ich, dass sie recht hatte. Seit er meine Freundin sehen konnte, war Papa ein anderer Mensch geworden. Wir hatten alles versucht, ihn umzustimmen, aber es war, als würde er uns überhaupt nicht zuhören.

Das Mädchen und ich lagen einander in den Armen und weinten. Es dauerte bestimmt eine halbe Stunde, ehe wir uns endlich voneinander lösten.

„Ich werde dich vermissen“, sagte sie.

„Ich vermiss dich mehr!“, erwiderte ich.

Ihr entkam ein kurzes Lachen. Sie blinzelte eine letzte Träne aus ihrem Auge, die über ihre Wange lief, ehe sie aufstand und mich hochzog.

Gemeinsam gingen wir in den Flur. Meine Schritte fühlten sich schwer und unendlich langsam an, während wir uns der Haustür näherten.

Dort nahm sie mich noch einmal fest in den Arm.

„Was wird das?“, fragte Papa, der plötzlich in der Tür Richtung Wohnzimmer stand.

„Es ist besser so, Herr Satō“, erklärte das Mädchen ihm. „Jetzt könnt ihr endlich wieder eine Familie sein. Nur Sie und Haruto. Alles wird wieder wie früher werden.“ Dann wandte sie sich wieder mir zu. „Leb wohl, Haruto.“

Ich hob bloß die Hand, um ihr zu winken. Der Klos in meinem Hals war so groß geworden, dass er mich am Sprechen hinderte.

„Nein! Warte!“, schrie Papa.

Er stürmte auf sie zu, während sie die Haustür öffnete. Hektisch griff er nach ihrer Schulter, aber seine Hand fasste ins Leere. Meine beste Freundin hatte sich in genau dem Moment in Luft aufgelöst, als ihr Fuß die hölzerne Treppenstufe vor unserer Haustür berührt hatte.

Papa war am Boden zerstört. Er weinte, tobte und schrie. Natürlich versuchte ich, ihn zu beruhigen, aber egal, was ich sagte, es half nichts.

„Du verstehst das nicht!“, schrie er mich an. „Ich hab dir doch gesagt, dass sie niemals gehen darf. Dass dann etwas wirklich Schlimmes passieren wird!“

Er hatte recht. Ich verstand ihn nicht. Was konnte denn so schlimm sein, dass wir es nicht gemeinsam durchstehen würden? Nachdem Mama uns verlassen hatte, Papas Welt untergegangen war, hatten wir es doch auch geschafft.

Wie schlimm es wirklich sein würde, erkannte ich wenige Tage später. Ich denke nicht, dass die Zashiki Warashi es absichtlich getan hatte. Hätte sie gewusst, was passiert, wäre sie bei uns geblieben. Trotzdem bin ich im Nachhinein froh, dass Mama nicht mehr bei uns gelebt hatte, sonst hätte ich bei dem Hausbrand wahrscheinlich beide Eltern verloren.

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Die Legende:

Zashiki Warashi (座敷童子; Japanisch für „Zashiki Kind“) sind Hausgeister der japanischen Mythologie. Sie zählen zu den Yōkai.

Ein Zashiki ist ein Zimmer in japanischen Häusern, in dem hauptsächlich Gäste empfangen werden – eine Art Gästezimmer sozusagen. Traditionell ist der Boden mit Tatami-Matten ausgelegt.

Aussehen:

Die meisten Zashiki Warashi sehen wie kleine japanische Mädchen oder Jungen im Alter von 5 bis 6 Jahren aus. Sie können aber auch wie Kleinkinder oder Jugendliche aussehen. Oft heißt es, dass sie gerötete Wangen oder Gesichter haben.

Männliche Zashiki Warashi haben im Normalfall kurze Haare und tragen einen schwarzen Kimono. Ich habe aber auch von Zashiki Warashi gelesen, die wie junge Krieger gekleidet sein sollen.

Die Mädchen hingegen tragen meist rote Kimonos, rote Chanchankos oder andere traditionelle Kleidung und haben einen Pagenschnitt oder lange zusammengebundene Haare.

Eine direkte Sichtung eines Zashiki Warashi ist jedoch nur sehr selten. Die meisten Augenzeugen berichten lediglich von einer vagen kinderähnlichen Gestalt, die sie aus dem Augenwinkel sehen konnten.

Es heißt außerdem, dass die Geister nur von Kindern und/oder den Bewohnern des Hauses gesehen werden können.

Eigenschaften:

Wie bereits erwähnt sind Zashiki Warashi Hausgeister. Sie leben hauptsächlich in alten japanischen Häusern, seltener in moderneren. Da sie sich jedoch an die Bewohner und nicht an das Haus binden, kann es durchaus vorkommen, dass sie den Menschen im Falle eines Umzugs in ihr neues Haus folgen, sofern sie sie mögen.

Sofern man sie nicht sieht, erkennt man die Anwesenheit eines Zashiki Warashi daran, dass im Haus mehrere harmlose, wenn auch unerklärliche Streiche geschehen. Dazu gehören unter anderem rußige Fußabdrücke, weil das Zashiki Warashi durch Asche geht und anschließend durch das Haus läuft, Kinderstimmen oder Gelächter aus dem Nebenzimmer, das Rascheln von Papier, obwohl niemand da ist, das Geräusch eines Spinnrades usw.

Auch ärgern sie gerne Gäste und halten sie vom Schlafen ab, indem sie z. B. mitten in der Nacht ihr Kissen umdrehen.

Wegen ihrer Streiche werden sie häufig mit Poltergeistern verglichen.

Trotzdem werden Zashiki Warashi nicht vertrieben, ganz im Gegenteil: Sie werden verehrt. Wenn ein Zashiki Warashi in einem Haus lebt, soll das den Bewohnern Glück und Reichtum bringen.

Auch kümmern die Hausgeister sich um alte Menschen, die alleine leben, oder um unfruchtbare Eltern. Im Gegenzug sollen sie die Zashiki Warashi wie ihre eigenen Kinder behandeln.

Sollten die Bewohner hingegen eigene Kinder haben, wird oft davon berichtet, dass die Zashiki Warashi mit ihnen spielen und ihnen neue Spiele, Lieder und Kinderreime beibringen.

Daher werden die gelegentlichen Scherze gerne in Kauf genommen.

Anders sieht es allerdings aus, wenn die Bewohner das Zashiki Warashi verärgern. Sollte ein Zashiki Warashi nämlich einen Haushalt verlassen, soll Unglück über die Bewohner und ihr Haus kommen. So kann das Haus verfallen, die Bewohner plötzlich ihr Geld verlieren, sie können krank werden oder sogar sterben. In einer Geschichte z. B. stirbt eine gesamte Familie an einer Lebensmittelvergiftung, nachdem das Zashiki Warashi sie verlassen hat.

Aus diesem Grund werden die Zashiki Warashi oft verehrt und ihnen werden Opfergaben in Form von Essen, Süßigkeiten oder Spielzeug dargeboten. Einige Familien richten ihnen sogar eine eigene Spielecke in ihrem Zashiki, dem Gästezimmer, ein.

Lebensraum/Vorkommen:

Zashiki Warashi kommen hauptsächlich in alten traditionellen Häusern der Präfektur Iwate in Japan vor.

Sie wohnen hauptsächlich im Zashiki, können sich aber frei im Haus und im Garten bewegen.

Ursprung:

Es gibt mehrere Theorien über den Ursprung des Zashiki Warashi. So kam es zu früheren Zeiten in Japan häufig vor, dass Familien zu viele Kinder hatten, um sie alle zu ernähren, und eines oder mehrere von ihnen weggaben oder manchmal sogar umbrachten. Es gibt sogar ein japanisches Wort dafür: Kuchiwarashi (口減らし). Wörtlich übersetzt bedeutet es so viel wie „die Anzahl der Münder reduzieren“. Auffällig ist hierbei die Ähnlichkeit zu dem veralteten Wort Warashi (童子; Kind), das sich in Zashiki Warashi findet.

Eine andere Theorie ist der alte Brauch, ungewünschte Kinder zu verstecken. So soll es in einigen Regionen Japans Kinder gegeben haben, die selbst vor Freunden und Verwandten versteckt wurden und nur selten oder gar nicht nach draußen durften. Nach außen hin könnte es in den Fällen so gewirkt haben, als lebe ein Kindergeist bei der Familie.

Weitere Theorien beinhalten Flüche, Kappa, Geister usw. Da diese Theorien jedoch hauptsächlich auf japanischsprachigen Seiten zu finden sind, bei denen digitale Übersetzer oft versagen, möchte ich an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen.

Ihr seht also, es ist nicht eindeutig geklärt, woher die Zashiki-Warashi-Legende stammt. Trotzdem erfreut sich der kindliche Hausgeist in Japan großer Beliebtheit. Er ist so beliebt, dass er sich neben traditionellen Bräuchen inzwischen in diversen Anime, Manga, Fernsehserien und Videospielen finden lässt.

Was haltet ihr von den Zashiki Warashi? Hättet ihr an Harutos Stelle ähnlich gehandelt und die Zashiki Warashi gehenlassen, oder hättet ihr die Warnung eures Vaters ernster genommen? Schreibt es in die Kommentare!

Was haltet ihr von den Zashiki Warashi? Hättet ihr an Harutos Stelle ähnlich gehandelt und die Zashiki Warashi fortgeschickt, oder hättet ihr die Warnung eures Vaters ernster genommen? Schreibt es in die Kommentare!

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