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Aka Manto Zeichnung von Jeremie Michels. Das Bild zeigt einen Ausschnitt von einem Mann, der einen roten Umhang trägt. Das Bld endet knapp über seinem schief lächelnden Mund. In seinen Händen hält er eine rote und eine blaue Toilettenpapierrolle.
Aka Manto (2023)

Aka Manto – rotes Papier oder blaues Papier?

Heute geht es um Aka Manto, einen berühmten japanischen Geist, der sich angeblich auf verfluchten Toiletten herumtreibt.

Viel Spaß beim Gruseln!

Triggerwarnungen

– Tod eines Kindes
– explizite Darstellung körperlicher Gewalt
– Blut

Die Geschichte:

„Ich geh schnell auf die Toilette“, sagte ich an niemanden Spezielles gerichtet, während ich gemeinsam mit meiner Klasse die Sporthalle verließ.

„Haruki! Warte!“, rief mir ein Junge nach.

Das war Sōta. Er und einige andere Jungen hatten mich in ihrer kleinen Gruppe aufgenommen, nachdem ich hergezogen war. Ich mochte ihn, auch wenn ich ihn noch nicht sonderlich gut kannte.

„Wenn du wirklich dringend musst, lauf zurück in die Schule. Aber geh nicht in der Sporthalle auf die Toilette“, sagte er zu mir, als er aufgeholt hatte. Er hielt mich sogar am Arm fest, damit ich nicht weiterging.

Ich sah ihn fragend an. „Warum nicht?“

Sōta sah auf seine Schuhe. Er wirkte auf einmal sehr unsicher. Er druckste eine Weile herum, bis er kleinlaut sagte: „Die Jungstoilette ist verflucht.“

„Wie bitte?“ Ich war mir unsicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte.

Jetzt sah Sōta auf. Die Unsicherheit war deutlich in seinen Augen zu erkennen, während er seine Worte einen Tick zu laut wiederholte: „Die Toilette ist verflucht.“

Plötzlich wurde es um uns herum still. Einige andere Schüler blieben stehen.

„Was hast du da gerade gesagt?“, fragte eine Stimme hinter mir.

Erschrocken fuhr ich herum. Ich erkannte die Stimme sofort: Es war Ryō. Er war ziemlich groß und kräftig. Einmal hatte ich gesehen, wie er ein Mädchen dazu gezwungen hatte, ihm ein Reisbällchen abzugeben, weil er noch Hunger hatte. Normalerweise hielt ich mich von ihm fern.

Sein Blick wanderte von Sōta zu mir. „Du willst doch nicht auf die Sporttoilette gehen, oder Haruki?“

„D-doch. Nein. I-ich weiß nicht“, stammelte ich.

Ryō sah flüchtig rüber zu den Toiletten, ehe er mir eine große Hand auf die Schulter legte. Mein ganzer Körper versteifte sich. Aber die Falten, die sich jetzt auf Ryōs Stirn bildeten, wirkten vielmehr besorgt als wütend. „Wenn du auf Toilette musst, geh nicht auf die Sporttoilette. Geh niemals auf die Sporttoilette!“

Ohne mehr dazu zu sagen, schob er mich an meiner Schulter an den Toiletten vorbei Richtung Umkleide. Ich hatte zu viel Angst, um etwas zu erwidern, und ließ es geschehen.

Was es mit all dem auf sich hatte, erfuhr ich jedoch erst in der nächsten Pause. Sōta und ich saßen mit Kanata und Ren an unseren Tischen im Klassenraum und aßen gerade unser Curry, als ich es nicht länger aushielt.

„Was war das eigentlich heute Morgen?“, fragte ich in die Runde. „Sōta meinte, dass die Sporttoilette verflucht sei. Und dann hat sich Ryō so komisch benommen. Als hätte er Angst.“

Wie auch schon vorhin wurde es plötzlich sehr still um mich herum. An den Nachbartischen aßen und quatschten die anderen Schüler weiter, aber Sōta, Kanata und Ren gefroren allesamt in ihren Bewegungen.

Es war Sōta, der als Erstes seine Worte wiederfand. „Es bringt Unglück, darüber zu reden“, erklärte er mit gesenkter Stimme.

Ich wusste nicht genau, wieso, aber auch ich sprach automatisch leiser. „Unglück? Wieso? Was ist denn passiert?“

Sōta, Kanata und Ren warfen einander mehrere Blicke zu, als würden sie stumm beraten, was sie als Nächstes sagen sollten.

„Also gut. Wir erzählen es dir“, ergriff jetzt Kanata das Wort. Er war der Kleinste von uns. Trotzdem war er so etwas, wie unser Anführer. „Aber nur, weil du der Neue bist. Und danach wollen wir nie wieder darüber reden. Ist das klar?“

Jetzt lag es an mir, Sōta und Ren verwirrte Blicke zuzuwerfen, aber die beiden sahen mich ernst an. Also nickte ich. „Okay. Ist klar.“

„Es ist schon einige Jahre her“, erklärte Kanata. „Wir waren damals noch nicht eingeschult, aber … alle wissen davon. Sogar die Lehrer. Damals ist in unserer Schule ein Mord passiert. Wie im Fernsehen, aber ein echter. Und der Mörder wurde nie gefasst. Es heißt nämlich, dass es ein böser Geist war.“

Wieder warf ich Sōta und Ren verstohlene Blicke zu. Ihre versteinerten Mienen ließen mich jedoch keine Sekunde daran zweifeln, dass Kanata glaubte, was er da sagte.

„Es heißt, dass damals ein Bruder und seine Schwester hier zur Schule gegangen sind. Viel wissen wir nicht über die beiden, aber sie haben wohl alles zusammen gemacht. Sogar, wenn sie auf Toilette gingen, sind sie entweder gleichzeitig gegangen oder haben auf dem Flur gewartet.

So war es auch an jenem Tag, als der Bruder auf die Sporttoilette gegangen war und seine Schwester vor der Tür gewartet hat. Zuerst war alles normal, doch dann hat die Schwester plötzlich eine Stimme aus der Toilette gehört: ‚Willst du rotes Papier oder blaues Papier?‘

Das kam ihr komisch vor, denn die Stimme war eine Männerstimme. Und die Lehrer haben doch eine eigene Toilette. Trotzdem hat sie sich nicht getraut, als Mädchen ins Jungsklo zu gehen. Also hörte sie bloß weiter zu.

‚Rotes Papier, bitte‘, soll ihr Bruder geantwortet haben. Und dann plötzlich hat er wie am Spieß geschrien.

Sie ist natürlich sofort reingerannt. Aber da war es schon zu spät. Ihr Bruder lag tot in der Kabine. Das weiße T-Shirt seiner Sportuniform soll völlig rot vor lauter Blut gewesen sein. Aber was noch viel unheimlicher ist: Der Mann, der mit dem Bruder in der Toilette gewesen sein musste, war verschwunden.“

Ich starrte Kanata entsetzt an. Über meinen Körper hatte sich eine Gänsehaut gezogen. Für gewöhnlich gruselte ich mich nicht so schnell. Mein Opa erzählte mir häufig Gruselgeschichten, aber in ihnen ging es fast nie um Blut. Von den Bildern, die ich gerade im Kopf hatte, wurde mir hingegen richtig schlecht.

„S-so ein Blödsinn“, erwiderte ich. „So viel Blut hat ein Mensch gar nicht. Ich hab mir mal in den Finger geschnitten und das musste sogar genäht werden. Danach hatte ich auch nur ein paar kleine Flecken auf meiner Hose!“

„Doch. Es stimmt wirklich. Alle wissen davon!“, meldete sich Ren zu Wort.

Ich hingegen blieb skeptisch. Ehe meine Freunde mich daran hindern konnten, sah ich mich nach unserer Lehrerin um. „Nakagawa Sensei? Nakagawa Sensei?“, fragte ich laut.

Frau Nakagawa kam sofort zu uns. „Was ist denn Endō-kun?“, fragte sie mich mit einem warmen Lächeln. Hier in Japan war es normal, dass uns die Lehrer mit unserem Nachnamen ansprachen. „Stimmt etwas mit dem Essen nicht?“

„Nein. Mit dem Essen ist alles in Ordnung. Ich wollte wissen, wie viel Blut ein Mensch im Körper hat“, erwiderte ich.

Sie sah mich kurz mit großen Augen an, als hätte sie nicht mit der Frage gerechnet. Dann lächelte sie sofort wieder. „Das kommt auf den Menschen an. Bei einem Erwachsenen wie mir sind es etwa 5 bis 7 Liter. Wieso möchtest du das wissen?“

Ich starrte sie an. 5 bis 7 Liter?! Meine Mutter hatte damals bei meinem Finger so reagiert, als würde ich jede Sekunde verbluten. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass ein Mensch so viel Blut im Körper hatte. Damit konnte man locker ein T-Shirt rot färben!

„Endō-kun?“, riss mich Frau Nakagawa aus den Gedanken.

„A-ach nichts“, stammelte ich. Dann fügte ich schnell hinzu: „Ich hab nur Gerüchte über die Sporttoilette gehört.“

Frau Nakagawas Gesicht wurde plötzlich schneeweiß. Sie sah mich streng an. „Du solltest nicht alles glauben, was man dir erzählt!“, sagte sie schnell. Dann drehte sie sich auf der Stelle um und ging mit großen Schritten zurück zu ihrem Lehrerpult.

Ich starrte ihr mit offenem Mund nach. Sie hingegen schien meinem Blick regelrecht auszuweichen, während sie angespannt ihr Mittagessen weiteraß.

„Siehst du, Haruki?“, sagte Ren. „Ich hab doch gesagt, sie weiß davon!“

Jetzt gab es auch für mich keinen Zweifel mehr daran. Sie hatte so komisch reagiert, dass sie irgendetwas wissen musste. Die Frage war nur: Wie viel war an der Geschichte wirklich dran?

Das alles ist bereits über ein halbes Jahr her. Inzwischen hatte ich mich eingelebt. Ich kannte die ungeschriebenen Regeln der Schule. Ich wusste, dass die Schüler sich auf dem Pausenhof mit dem Klettergerüst abwechselten. Dass die Tische bei der Ausgangstür für die Schüler waren, die in der Pause mit ihren Pokémonkarten spielen oder tauschen wollten. Und auch, dass die Jungentoilette in der Sporthalle nicht benutzt werden durfte.

Viel mehr hatte ich über die Toilette in den sechs Monaten jedoch nicht herausfinden können. Niemand wollte mit mir darüber reden.

Es gab nicht einmal Mutproben, wer sich auf die Toilette traute. Ich hatte es einmal vorgeschlagen, aber die anderen hatten mich behandelt, als sei ich verrückt geworden. Sie hatten wirklich Angst vor der Toilette. Und auch sonst hatte ich noch nie einen Jungen gesehen, der in der Sporthalle auf Klo gegangen war.

Aber ihr fragt euch sicherlich, wieso ich ausgerechnet jetzt so intensiv über die Sporttoilette nachdachte. Nun, ich stand in genau diesem Moment vor der Toilettentür und wägte meine Möglichkeiten ab.

Natürlich könnte ich zum Schulgebäude rennen, aber ich musste wirklich dringen. Und wenn ich eine Sache nicht wollte, dann war es, mir in die Hose zu machen.

Nach draußen gehen war auch keine Möglichkeit. Zum einen gehörte es sich nicht, zum anderen musste ich mal groß.

Die Mädchentoilette hingegen … Nein, da könnte ich mir genauso gut in die Hose machen. Die Anderen würden mich noch Jahre damit aufziehen.

Das Einzige, was übrigblieb, war die angeblich verfluchte Jungstoilette.

Ich atmete tief durch, ehe ich die Tür langsam aufdrückte. ‚Iiiieeeeek!‘, schrien die Türscharniere mich an, als ob sie mich vertreiben wollten. Dann ertönte ein klackendes Geräusch und das automatische Licht ging an.

Es funktionierten nicht mehr alle Lampen, aber das, was ich in dem schwachen Licht sah, reichte aus, um mir einen Schauer über den Rücken zu jagen. Die Toilette war zwar nicht dreckig – auch stank sie nicht –, aber es musste ewig her gewesen sein, seit hier jemand gründlich geputzt hatte: Auf den Spiegeln waren Streifen, als hätte man sie bloß flüchtig abgewischt, auf den Waschbecken lag Staub und der Boden wirkte so, als hätte sich jemand beim letzten Saubermachen sehr beeilt und dabei die Hälfte übersehen.

Hatten also sogar die Erwachsenen Angst, die Toilette zu betreten?

Ach, so ein Quatsch‘, redete ich mir ins Gewissen. Dreckige Klos gab es an vielen Schulen. Bestimmt sah die Mädchentoilette ähnlich aus.

Meine Sorge beiseiteschiebend – immerhin musste ich ziemlich dringend – ging ich mit zittrigen Beinen einige Schritte in den Raum.

Wieder schrie mir die Tür ihr ‚Iiiieeeeek‘ entgegen, ehe sie mit einem unerwartet lauten Krachen ins Schloss fiel.

Ich glaubte nicht an den Fluch. Ich wollte nicht an den Fluch glauben. Und trotzdem ertappte ich mich dabei, wie ich mich unruhig in dem Raum umsah. Das Licht war nicht sonderlich hell, aber es reichte aus, um zu sehen, dass ich allein war.

Und dann war da noch dieser Geruch. Er erinnerte mich an Opas Dachboden. Irgendwie alt und staubig, aber ohne den vertrauten Geruch von Opa.

Schnell ging ich zur ersten Kabine. Darin begegnete mir eine Hocktoilette, wie sie in Japan häufig zu finden waren. Das war jedoch nicht alles: Die Wände und sogar die Bodenfliesen waren über und über mit Edding beschmiert. Ich erkannte unanständige Schriftzeichen und Symbole. Und auf dem Boden lag abgewickeltes Toilettenpapier.

Mit gerümpfter Nase ging ich weiter. Andererseits hieß das auch, dass zumindest einige Schüler hier gewesen waren, um die Kabinen zu beschmieren.

Die zweite Kabine war sauberer, aber in einem ähnlich miserablen Zustand: Die Tür war aus dem oberen Scharnier gebrochen und hielt nur, weil sie halb an der Wand lehnte. Ansonsten war die Kabine leer.

Dann ging ich zur nächsten Kabine. Während ich vorsichtig die Tür aufstieß, gab auch sie ein leises Quietschen von sich. Ich spähte hinein.

Erleichtert atmete ich auf. Die dritte und letzte Kabine war in einem vergleichsweise guten Zustand. Zwar gab es auch hier ab und an eine Schmiererei, aber dafür lag nicht überall Toilettenpapier verteilt und auch die Tür schien noch zu halten.

Schnell trat ich ein, schloss die Kabinentür hastiger hinter mir, als ich es zugeben würde, zog meine Hose runter und hockte mich über die Toilette.

In diesem Moment spürte ich, wie alle Anspannung von mir abfiel. Ich spürte nichts mehr von der Unruhe, die mich eben noch bedrängt hatte. Ich war einfach nur erleichtert, dass ich es rechtzeitig aufs Klo geschafft hatte. Und vielleicht war ich auch ein bisschen stolz. Ich würde meinen Freunden erzählen können, wie ich todesmutig auf die verfluchte Toilette gegangen war. Die würden Augen machen!

Eine ganze Weile lang passierte gar nichts mehr. Ich ging in Ruhe meinem Geschäft nach, während ich in Gedanken versunken dahockte und mich fühlte, als könne nichts auf der Welt mir etwas anhaben.

Als ich fertig war und nach dem Toilettenpapier greifen wollte, fiel mein Blick jedoch auf die leere Klorolle zu meiner Rechten.

„So ein Mist!“, fluchte ich.

Ich war drauf und dran aufzustehen, um in den anderen Kabinen nach Klopapier zu suchen, als mein Blick auf etwas Rotes vor mir fiel. Es war eine Art roter Vorhang oder anderer Stoff, der direkt vor der Kabine bis auf den Boden hing. Von draußen hatte ich nichts dergleichen gesehen.

„Willst du rotes Papier oder blaues Papier?“, fragte plötzlich eine tiefe Männerstimme.

Die Frage ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Sofort musste ich wieder an die Geschichte mit dem toten Bruder denken. Ihm wurde damals dieselbe Frage gestellt.

Dann fiel mein Blick auf die leere Klopapierrolle. Wahrscheinlich war es ihm genauso wie mir ergangen. Aber ich hatte nicht vor, dass meine Geschichte genauso wie seine endete. Er hatte sich damals für Rot entschieden.

„Blaues Papier!“, sagte ich schnell.

Dabei starrte ich wie gebannt den roten Stoff vor der Kabine an. Ich achtete auf jede Bewegung. Aber das wäre gar nicht nötig gewesen: Keine Sekunde, nachdem der Stoff zurückgewichen war, polterte plötzlich die ganze Kabine. Es kam mir vor, als würde irgendjemand oder irgendetwas von draußen an der Tür rütteln.

Dann auf einmal hörte es auf. Dafür ertönte ein anderes Geräusch: Klick! Entsetzt sah ich, wie das Türschloss sich wie von Geisterhand bewegte. Die Kabine war offen.

Einen Moment herrschte vollkommene Stille. Ich hörte, wie mein Herz in meiner Brust hämmerte. Dann sprang ich auf, um die Tür wieder zu verschließen. Aber es war zu spät. In dem Moment, als ich nach dem Schloss griff, wurde die Tür von außen aufgestoßen. Sie hatte so eine Wucht, dass ich zurückgeschleudert wurde und nur knapp neben der Toilette auf den harten Boden prallte.

Ein stechender Schmerz fuhr durch mein Steißbein, aber das war mir gerade egal. Entsetzt starrte ich den Mann an, der jetzt in die Kabine trat. Er trug einen roten Umhang, der seinen kompletten Körper verdeckte. Sein Gesicht konnte ich im Gegenlicht nicht erkennen. Was ich hingegen deutlich sehen konnte, waren seine Arme, die er nach meinem Hals ausstreckte.

Panisch krabbelte ich rückwärts, bis ich die kalten Wandfliesen an meinem Rücken spürte. Ich konnte nirgendwo hin. Die Kabinenwände reichten bis auf den Boden. Der einzige Ausgang wurde von dem Mann blockiert.

Jetzt hatte er mich erreicht.

Während ich nach seinen Händen schlug und trat, schrie ich aus voller Lunge: „Hilfe! Hilf…“

Weiter kam ich nicht. Der Mann presste seine Hände an meinen Hals. Sie waren eiskalt. Er drückte mit voller Kraft zu. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich platzen. Mir wurde schwindelig. Aber so sehr ich auch versuchte, mich zu wehren, es war sinnlos. Der Mann war zu stark.

Plötzlich hörte ich ein Geräusch: Iiiiiieeeeek. Die Toilettentür!

„Haruki? Bist du da drin?“ Das war Sōta!

Jetzt versuchte ich gar nicht mehr, den Mann mit dem roten Umhang abzuwehren. Stattdessen hämmerte ich mit der Faust gegen die Kabinenwand, um möglichst viel Lärm zu machen.

„Was ist das?“, hörte ich jetzt Ren.

„Lasst uns von hier abhauen!“, erwiderte Kanata.

„Nein!“, fuhr Sōta dazwischen. „Ihr habt doch auch gehört, wie Haruki um Hilfe gerufen hat!“

Was diskutierten sie denn so lange?! Die Panik in mir war unbeschreiblich. Ich versuchte, meine Freunde zu rufen, aber meiner zusammengedrückten Kehle entwich kein einziger Ton. Auch ließ der Mann sich durch meine Freunde nicht aus der Ruhe bringen.

Meine Schläge hingegen wurden schwächer und schwächer. Ich hatte kaum noch Kraft in meinen Armen, während es um mich herum immer dunkler wurde.

Dann hörte ich zaghafte Schritte gefolgt von Sōtas Stimme: „Harukiii? Bist du da?“ Doch etwas stimmte nicht. Seine Stimme klang weit entfernt. Viel weiter als von der Toilettentür. Meine kraftlosen Arme konnte ich jetzt überhaupt nicht mehr heben. „Haruki?“

Es war das letzte Mal, dass ich meinen Namen hörte. Das letzte Mal, dass ich irgendetwas hörte. Meine Freunde waren zu langsam gewesen. Sie würden nur noch meine Leiche entdecken.

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Die Legende:

Aka Manto (japanisch für „roter Umhang“), manchmal auch Aoi Manto („blauer Umhang“) oder Akai Kami Aoi Kami („rotes Papier, blaues Papier“) genannt, ist eine urbane Legende aus Japan.

Sie handelt von einem Geist, der sich in verfluchten Schultoiletten herumtreiben soll. Er zählt zu den Yōkai.

Aussehen:

Aka Manto soll, wie der Name schon sagt, einen roten Umhang tragen. In den meisten Geschichten ist er männlich. Die „Aoi Manto“-Variante unterscheidet sich lediglich darin, dass sein Umhang blau ist. Ansonsten sind die Geschichten identisch.

Was sein weiteres Aussehen angeht, ist über ihn nicht viel bekannt. Ich habe aber einige Versionen finden können, in denen er entweder eine Maske trägt oder ein blau angelaufenes Gesicht hat.

Manchmal ist er auch unsichtbar und man hört nur seine Stimme.

Eigenschaften:

Aka Manto sucht hauptsächlich öffentliche Toiletten heim. In den meisten Geschichten ist es die Toilette einer Grundschule. Im Netz habe ich oft gelesen, dass er hierbei Frauentoiletten bevorzugt, in japanischen Texten habe ich darüber jedoch nichts finden können. Im Gegenteil: Die bekannteste japanische Version scheint von einer Männertoilette zu handeln.

Die Toilette, die von Aka Manto heimgesucht wird, ist meist eine alte Hocktoilette. Außerdem soll in der Kabine kein Klopapier zu finden sein. Sobald man fertig mit seinem Geschäft ist und das fehlende Klopapier bemerkt, tritt Aka Manto in Erscheinung. Mal hört man hierbei nur seine Stimme, mal taucht Aka Manto vor der Kabine auf.

Der Geist fragt sein Opfer: „Willst du rotes Papier oder blaues Papier?“

Ab hier gibt es verschiedenste Variationen der Geschichte. Für eine bessere Übersicht habe ich den Beitrag daher ab hier unterteilt.

Rotes Papier:

Entscheidet man sich für das rote Papier, wird man von Aka Manto mit einem Messer oder einem anderen scharfen Gegenstand angegriffen. Er schneidet einem die Kehle durch, fügt einem mehrere tödliche Schnitte zu oder köpft seine Opfer sogar. Dabei soll so viel Blut aus dem Körper strömen, dass die Kleidung vor Blut rot wird.

Alternativ schneidet er einem die Haut ab, sodass sie wie ein blutiger Umhang von seinen Opfern hängt.

Blaues Papier:

Entscheidet man sich hingegen für das blaue Papier, lässt Aka Manto das Blut aus den Körpern seiner Opfer verschwinden oder er erwürgt sie. Anschließend soll entweder der ganze Körper, weil er blutleer ist, oder nur der Kopf, da man erwürgt wurde, blau wirken.

Andere Farben:

Wenn man eine andere Farbe wie z. B. weißes oder lila Papier verlangt, um ihn auszutricksen, kann das unterschiedlich ausgehen:

Entweder man schafft es damit, Aka Manto zu verwirren und so genug Zeit zum Fliehen zu gewinnen, der Geist zerrt einen direkt in die Unterwelt oder aber er wird kreativ, was seine Methoden angeht. So gibt es z. B. Versionen, in denen sein Opfer „gelbes Papier“ verlangt haben soll, woraufhin es in seinem eigenen Urin ertränkt wurde.

Weitere Methoden:

Wenn man eine bessere Alternative sucht, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man lehnt das Papier ab und sagt, dass man keines braucht, oder man ignoriert die Frage komplett und antwortet nicht. Daraufhin soll Aka Manto verschwinden oder man soll genug Zeit gewinnen, um zu fliehen.

Andererseits habe ich auch hier Versionen gelesen, in denen Aka Manto seinem Opfer den Ausgang blockiert, bis es sich für eine Farbe entschieden hat. Wie ihr also seht, ist die Sache ziemlich kompliziert und man kann nicht pauschal sagen, wie man dem Geist entkommen kann.

Andere Versionen:

Es gibt aber auch Versionen, in denen Aka Manto nicht wirklich gefährlich ist. Hierbei färbt er oft bloß die Haut seiner Opfer in der Farbe ein, in der sie das Papier verlangen. Oder aber es kommen Hände in der jeweiligen Farbe aus der Toilette oder der angrenzenden Kabine und berühren das Opfer am nackten Hintern.

Lebensraum/Vorkommen:

Aka Manto kommt fast ausschließlich in öffentlichen Toiletten, meist denen von Grundschulen vor.

Am häufigsten soll sein Geist in der letzten oder in der vierten Kabine auftauchen, da die Zahl 4 in Ost- und Südostjapan für den Tod steht.

Ursprung:

Aka Manto ist seit den 1930ern ein beliebtes Gerücht in vielen japanischen Grundschulen.

Wo das Gerücht herkommt, ist hingegen etwas komplizierter:

Der Mann mit der blauen Decke:

Angefangen hat alles mit einem bis heute ungelösten Mordfall im Jahr 1906 in der Präfektur Fukui in Japan. Damals wurden drei Menschen von einem Mann, der in eine blaue Decke gehüllt war, unter einem Vorwand, dass einer ihrer Verwandten krank sei, nach draußen in einen Schneesturm gelockt: ein Vater aus seinem Laden und seine Mutter und seine Ehefrau je aus ihren Häusern.

Anschließend soll der Mann dasselbe mit der Tochter versucht haben, die gerade bei einer Nachbarin war. Die Nachbarin weigerte sich jedoch, das Kind ohne Erlaubnis der Eltern an einen Fremden zu geben, und konnte den Mann so abwimmeln.

Kurz darauf fand man die Leichen der Ehefrau und der Mutter. Die Leiche des Vaters wurde nie gefunden. Lediglich die Angestellten, die mit dem Vater im Laden waren, und die Nachbarin, die auf das Kind aufgepasst hatten, erzählten von dem seltsamen Mann mit der blauen Decke.

Erste Gerüchte:

Aus diesem Mordfall sind diverse Gerüchte entstanden, die sich hauptsächlich in Grundschulen verbreitet haben. Darunter waren Gerüchte von einem Mann mit einem blauen Umhang, der sich in einem schwach beleuchteten Schulkeller herumgetrieben haben soll. In einigen Versionen war der Mann ein Vampir.

Über mehrere Monate bis Jahre hinweg verbreitete sich die Geschichte auf die umliegenden Städte. Dabei wurde aus dem blauen Umhang ein roter Umhang.

Roter Umhang, blauer Umhang?

Schließlich entstand daraus eine Version, die Aka Manto nicht unähnlich ist: Dem Gerücht zufolge, sollte sich ein Geist oder Mörder in einer Schultoilette herumtreiben und seine Opfer fragen, ob sie lieber einen roten oder einen blauen Umhang haben wollen. Wenn man mit einer der entsprechenden Farben antwortet, hatte man dieselben Folgen zu erwarten, wie bei dem roten oder blauen Toilettenpapier.

Diese Variante wird sogar noch heute erzählt, auch wenn sich eine neue Version bald größerer Beliebtheit erfreute.

Aka Manto – rotes Papier, blaues Papier?

Es dauerte nicht lange, bis erste Geschichten auftauchten, in denen der Geist oder Mörder statt nach farbigen Umhängen nach farbigem Toilettenpapier gefragt hat.

Über die Jahre kamen schließlich noch weitere Varianten hinzu. Zum Teil kamen auch Einflüsse anderer Toilettengeister wie z. B. Hanako-san hinzu. So gab es verschiedenste Todesarten, einige Umstände veränderten sich minimal und Aka Manto bekam gelegentlich weitere Eigenschaften wie ein blaues Gesicht oder (auch wenn ich diese Version bisher nur in westlichen Texten gefunden habe) eine Maske.

Was haltet ihr von Aka Manto? Kanntet ihr die Legende bereits? Wie würdet ihr reagieren, um ihm zu entkommen? Schreibt es in die Kommentare!

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22 Kommentare

    • Jeremie Michels schreibt:

      Schöne Idee, aber du bist nicht der Erste, der die Idee hatte. Solche Kleinigkeiten schreibe ich teilweise nicht mit rein, damit die Legende nicht zu unübersichtlich wird, aber wenn man seine eigene Klorolle mitnimmt, soll sie plötzlich weg sein, wenn man danach greifen/sie herausholen will. 😅

  1. Rabbat07 schreibt:

    ich gehe von nun an immer im roten Umgang und mit farbigen Papier zur Toilette. wenn nicht irgendjemand nach rot oder blau fragt zu ich so als wär ich auch sonen Viech HahA
    😂

    • Rabbat07 schreibt:

      Srry für die doppelte Antwort, mir wurde zwar angezeigt das ich den Kommentar schon Mal gesendet hätte, aber warum auch immer nicht der Kommentar selber. hab also den selben nochmal leicht verändert. und sie da, der vorige Kommentar wird angezeigt

    • Jeremie Michels schreibt:

      Also wenn ich Aka Manto wäre, würdest du mich damit auf jeden Fall verwirren. 😂

      Du solltest nur aufpassen, wer dich dabei sieht. Am Ende halten dich deine Mitschüler noch für verrückt. 😬

      • Rabbat07 schreibt:

        nah die mögen mich abgesehen einer kleinen Freundesgruppe eh nicht XD komm ich mit klar. solange die mir nicht ankommen von wegen ,,niemand mag dich“ ,,hast du Freunde‘ usw. wie Jakob gestern ist alles in Ordnung

  2. RosesReallySmellLikePooPoo schreibt:

    Ich habe ganz am Anfang, ohne die Geschichte zu kennen oder mehr darüber zu lesen, bei „Toilette“ und „Geist“ erst mal an die maulende Myrte gedacht 😹 wobei sie da ja noch recht harmlos ist im Gegensatz zu Aka Manto…
    Das nächste ist: über den Namen musste ich auch schmunzeln. „Manto“. Das ist nämlich auch ein türkisches Wort und heißt im Grunde genommen Mantel. So ähnlich sind sich dann die Sprachen, verrückt!

    Ja, ich habe mich auch wieder gegruselt und immer diese steigende Spannung… wo man einfach nur brüllen möchte: „Nein, tut das niiiiicht!“, genauso wie in Horrorfilmen. Hey, da läuft gerade ein Mörder herum und massakriert deine Freunde aber kein Problem, trennt euch und sucht ihn, damit er euch besser umbringen kann. Wir wissen alle, wie das endet.

    Wie immer: vielen Dank für deine Geschichte!

    • Jeremie Michels schreibt:

      Ja guuut. Aka Manto ist dann doch nochmal ein anderes Kaliber. Das stimmt wohl. 😂
      Das mit der Sprache finde ich spannend. Wobei das auch ein Zufall sein könnte. Früher war ein Manto im Japanischen nämlich eine ärmellose Kimonojacke. Ich denke also nicht, dass das etwas mit dem deutschen Mantel oder dem türkischen Manto zu tun hat. Aber wer weiß. 😁

      Hach, schön. Das freut mich. Auch wenn ich mich jetzt etwas schlecht fühle, weil mein „Charaktere Anbrüllen“ tatsächlich einen Unterschied machen könnte. Und ich schreibe sie tatenlos ins Verderben. 😅
      (Wobei … ein paar Horrorklischees müssen auch mal sein. 😬)

      Es freut mich wie immer, dass dir die Geschichte gefallen hat und danke für deinen Kommentar! ^^

  3. Lilly schreibt:

    „Leider“ kannte ich die Geschichte schon und ist ein Grund wieso ich so ungern auf Klo gehe. 🥴😅
    Du hast diese Geschichte, wie immer, wunderbar geschrieben. Ich werde auch weiterhin deine Geschichten lesen.
    Danke für deine Seite. ♡

    Hope you still remember me. Long Time no see.
    LG Lilly.

    • L1n4 schreibt:

      Es erinnert mich an den Geist der durch die Toilette kommen kann um Rache zu nehmen, die die in einen Gulli geschubst wurde.😮 Mir fällt der Name gerade nicht ein.

    • Jeremie Michels schreibt:

      Oje. Ich persönlich finde ja Hanako gruseliger. Da haben wir wohl alle unsere Favoriten. 😁

      Aber ich freue mich, dass dir meine Geschichte trotzdem gefällt und du auch meine zukünftigen Geschichte lesen willst. ^^
      Um ehrlich zu sein würde ich die Geschichten sogar nur für mich selbst schreiben. Wahrscheinlich nicht ganz so häufig, aber es hat definitiv Vorteile, die Dinge zu schreiben, die man selbst gerne lesen würde. 🤔

      Und ja, ich erinnere mich an dich. Sooo lange ist das ja auch noch nicht her. Außerdem schreiben nicht so viele Leute hier Kommentare. :’D

      • Lilly schreibt:

        Well. Ich sagte meine ich schon mal „We will see us again.“ tada. Da bin ich wieder. 😂
        Ja Hanako San ist auch sehr gruselig. Aber wenn wir mal ehrlich sind, sind japanische Legenden eh am gruseligsten. Also so in meinen Augen.
        Ich freue mich auf jeden Fall auf weitere Geschichten von Dir. mach weiter so mein Lieber. 🤗

        • Jeremie Michels schreibt:

          Das mach ich. Versprochen. Ich hab noch so eine Lange Liste mit Legenden aus aller Welt, da kann ich die Geschichten dazu ja nicht ungeschrieben lassen. ^^

      • Rabbat07 schreibt:

        wegen deiner Geschichte zu Carmen winstead hatte ich ne Weile lang Unbehagen beim Duschen/ geschäfte erledigen D; XD

  4. L1n4 schreibt:

    Wieder eine super Geschichte.
    Ich kannte die Legende noch nicht. Um ihm zu entkommen würde ich wahrscheinlich nach einer anderen Farbe fragen und hoffen das er nicht als zu fantasy reich ist.😥 Aber um realistisch zu sein wenn ich wüsste das die Toilette verflucht ist würde ich nicht rein gehen.

    • Lilly schreibt:

      Ich erinnere mich an den Satz „es soll einer nach gelbem Papier verlangt haben und in seinem eigenen Urin ertränkt worden sein. mhhh yummy. 🥴 Wir wollen hoffen, ihm niemals zu begegnen. 👀

    • Jeremie Michels schreibt:

      Danke! 😄

      Aber ich muss Lilly zustimmen: Bei Aka Manto würde ich mit anderen Farben vorsichtig sein. Gar nicht erst auf verfluchte Toiletten zu gehen klingt nach einem sehr guten Plan. 😁

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