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Die Clownpuppe Zeichnung von Jeremie Michels. Man sieht eine gruselige Puppe, die einen Clown darstellt. Die Kleidung ist verblichen, sie besitzt spitze zähne und sie hat eine Hand erhoben, mit der sie dem Betrachter drei Finger zeigt.
Die Clownpuppe (2020)

Die Clownpuppe

Die Clownpuppe ist eine eher unbekannte urbane Legende über eine Puppe. Ob es sich bei ihr um einen Fluch, einen Geist oder dämonische Besessenheit dreht, wird nicht genauer erwähnt.

Die Geschichte:

Obwohl der Vorfall schon einige Jahre her ist und sich wie Säure in meinen Verstand geätzt hat, kommt er mir noch immer unwirklich vor. Als hätte ich alles bloß geträumt.

War es meine Schuld gewesen? Hätte ich mehr für meine Tochter da sein müssen?

Alina war schon immer ein sehr stilles und in sich gekehrtes Mädchen gewesen. Sie hatte nur wenige Freunde und ich hatte mit meinen zwei Berufen kaum die Zeit, mich um sie zu kümmern. Daher beschloss ich eines Tages, ihr einen Spielgefährten zu kaufen: eine Puppe. Alina würde mit ihrer blühenden Fantasie in ihr sicherlich schnell einen neuen Freund oder eine neue Freundin finden.

Ich erzählte ihr nicht, was wir vorhatten, bis wir den Puppenladen erreichten. Ihre Augen wurden riesig, als sie die Regale über Regale voller Puppen sah. So viel Spielzeug! So viele potentielle neue Freunde!

„Du darfst dir eine Puppe aussuchen“, erklärte ich. „Nimm, welche auch immer dir am besten gefällt!“

Das ließ Alina sich nicht zweimal sagen. Sofort rannte sie durch den Laden. Sie sah sich jede Puppe genau an, sodass ich bereits befürchtete, dass sie sich nicht eher entscheiden würde, bevor sie nicht jede einzelne von ihnen inspiziert hatte.

Das war, bis sie eine ganz besondere Puppe fand, die ihren Blick wie magisch anzuziehen schien … Dieses verdammte Teil … Plötzlich schienen alle anderen Puppen im Laden für sie unwichtig.

„Die da Mama! Ich will die da!“, rief sie aufgeregt und zeigte in eines der Regale.

Ich folgte ihrem Finger mit meinem Blick.

„Die?“, fragte ichüberrascht.

Es war ein kleiner Clown. Aber anstatt die Puppe niedlich zu gestalten, hatte jemand sich entschieden, sie wahnsinnig grinsen zu lassen. Dabei entblößte sie eine Reihe spitzer, gelber Zähne. Sie sah gebraucht aus. Ihre bunte Kleidung war ausgeblichen und abgenutzt. Doch das seltsamste war wahrscheinlich ihre linke Hand. Sie hatte sie gehoben und hielt mir drei winzige Finger entgegen.

Zögernd nahm ich das Männchen aus dem Regal und reichte es meiner Tochter. Der Stoff fühlte sich alt an … irgendwie schmutzig.

„Bist du dir sicher?“, fragte ich. „Es gibt hier noch so viele andere Puppen …“

„Ich will die hier!“, schrie Alina aufgeregt und drückte die Puppe fest an sich, als wolle sie ihren neu gewonnenen Freund nie wieder loslassen.

Ich bemerkte kaum, wie ich den Kopf schüttelte. Was fand Alina nur an diesem hässlichen Ding? Die Puppe war nahezu unheimlich …

Ich überlegte, sie darum zu bitten, eine andere zu nehmen. Aber sie sah so glücklich aus. Ihre Augen funkelten in einem Glanz, den ich lange nicht mehr gesehen hatte. Außerdem hatte ich ihr gesagt, dass sie sich die Puppe aussuchen solle, die ihr am meisten gefiel.

Der Kassierer wirkte ebenfalls überrascht, als er die Puppe sah. Zögerlich streckte er seine Hand aus, um sie entgegenzunehmen.

„Wo habt ihr die her?“, fragte er. „Die bewahren wir eigentlich im Lager auf …“

„Oh“, sagte ich kleinlaut. „Heißt das, dass die Puppe nicht zu verkaufen ist?“

Für einen kurzen Moment glaubte ich, Entsetzen in seinen Augen zu sehen. „Oh, nein. Natürlich! Ich mache ihnen einen fairen Preis!“

Er legte den Clown auf den Tresen und schob ihn fort von sich, bevor er einen viel zu niedrigen Preis nannte.

Wollte er die Puppe loswerden?

Andererseits konnte es mir nur recht sein. Ich hatte mich darauf vorbereitet, dass meine Tochter eine teure Barbie oder gar eine hübsche Porzellanpuppe nehmen würde. Natürlich beschwerte ich mich nicht darüber – und Alina schien völlig zufrieden zu sein.

„Danke, danke, danke!“, rief sie, während sie mein Bein fest umarmte. Dann drückte sie den Clown fest an sich und raste aus dem Geschäft. Sie konnte es gar nicht abwarten, ihrem neuen Freund unsere Wohnung zu zeigen.

Als wir endlich zu Hause waren, rannte Alina sofort ins Wohnzimmer, wo sie mit ihrer Puppe spielte. Ich stand nur einige Meter von ihr entfernt, während ich Wäsche zusammenlegte und beobachtete, wie liebevoll sie mit der Puppe umging.

Was fand sie nur an dem Ding? An ihrer Stelle hätte ich mir die hübscheste oder niedlichste Puppe ausgesucht, doch dieses Teil sah aus, als käme es direkt auf einem Horrorfilm.

Als es langsam spät wurde, setzten Alina und ich uns vor den Fernseher, während wir Abendbrot aßen. Wie jeden Abend sahen wir beim Essen zwei Folgen Spongebob, bevor Alina ins Bett musste. Ihr Clown saß zwischen uns.

Heimlich beobachtete ich ihn. Das gesamte Design war darauf ausgelegt, gruselig zu sein. Vielleicht war er als Halloweendekoration gedacht?

Was ich jedoch nicht verstand, waren die drei Finger, die er hochhielt. Wozu tat er das? Auch wenn es wohl das harmloseste Detail an ihm war, empfand ich es als das beunruhigendste.

Ich traute mich jedoch nicht, meiner Tochter zu sagen, dass ich ihr neues Spielzeug nicht mochte. Also wartete ich, bis die Serie zu Ende war und brachte Alina ins Bett. Die Puppe nahm sie mit sich.

Ich wünschte ihr eine gute Nacht, setzte ihren neuen Freund auf die Kommode und gab ihr einen Kuss. Anschließend musste ich zur Arbeit.

Es dauerte jedoch keine zwei Stunden, bis ich plötzlich einen Anruf von unserem Festnetztelefon bekam.

„Mami? Mami, er will mir wehtun!“, jammerte Alina am anderen Ende. Sie klang so verheult, dass ich sie kaum verstehen konnte.

„Wer? Wer will dir wehtun?“, fragte ich schnell. Sofort schrillten all meine Alarmglocken. Hatte sie bloß einen Albtraum oder war jemand im Haus?

So schnell ich konnte, verließ ich die Arbeit und raste nach Hause. Zum Glück waren die Straßen um diese Uhrzeit komplett frei.

Als ich bei der Haustür war, atmete ich erleichtert auf. Sie war verschlossen und wies keine Spuren eines Einbruchs auf.

Darauf bedacht, nicht zu viel Lärm zu machen, schlich ich mich zu Alinas Zimmer – nur für den Fall, dass sie wieder eingeschlafen war.

Ich öffnete die Tür bewusst langsam, um ein Knarren zu vermeiden, und spähte durch den Spalt in das Zimmer. Im schwachen Schein des Nachtlichts konnte niemandem im Bett liegen sehen …

Sofort öffnete ich die Tür ganz und schaltete das Licht ein. Das Bett war leer!

Dafür sah ich jetzt etwas anderes. Dort auf dem Boden, auf dem eigentlich weißen Teppich, lag eine kleine Person. Ihr starrer Körper war mir so vertraut, doch das ganze Blut und diese offenen, leblosen Augen …

„Alina!“, kreischte ich.

Sofort stürzte ich zu ihr. Sie war noch warm … Tränen füllten meine Augen, während ich panisch versuchte, einen Puls zu ertasten. Nichts. Ich rüttelte an ihr, doch sie zeigte keine Reaktion.

„Alina!“, kreischte ich erneut.

Sofort kramte ich mein Handy hervor. Ich war gerade dabei, den Notruf zu wählen, als mein Blick auf die Kommode fiel. Trotz meiner von Tränen verschwommenen Sicht konnte ich es ganz deutlich erkennen: Dort saß die Clownpuppe, die meine Tochter so unbedingt haben wollte. Sie hatte ihre kleine Hand noch immer erhoben, doch die Zahl der Finger stimmte nicht. Sie zeigte jetzt keine drei Finger mehr, sondern vier …

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Die Legende:

Die Clownpuppe (im englischen Original „The Clown Doll“), auch „Doll Fingers“ (Puppenfinger) oder „The counting Doll“ (Die zählende Puppe) genannt, ist eine etwas unbekanntere urbane Legende über eine besessene Puppe.

Aussehen der Puppe:

Die Clownpuppe soll wie ein grässlicher Clown aussehen. Sie soll krumme oder spitze Zähne besitzen, wahnsinnig grinsen und wird in der Geschichte häufig als „gruselig“ und „hässlich“ beschrieben.

Da die Puppe meist aus einem secondhand Laden oder einem ähnlichen Geschäft kommt, besitzt sie einige Abnutzungsspuren und sieht nicht mehr wie neu aus.

Das wohl seltsamste und auffälligste Merkmal der Puppe ist jedoch, dass sie mehrere Finger hochhält. In einigen Geschichten ist es nur einer, häufiger sind jedoch drei oder 6 Finger.

Alternative Versionen der Geschichte beinhalten selten auch andere Puppen, die nicht unbedingt einem Clown ähneln müssen. In solchen Fällen kann die Puppe z.B. auch besonders hübsch und gepflegt aussehen.

Ablauf:

Die Details der Geschichte werden häufig von Erzähler zu Erzähler geändert. Auch die Namen sind häufig unterschiedlich. Das Grundgerüst der Geschichte ist jedoch fast immer gleich:

Ein Mädchen geht – mal alleine, mal mit ihrer Mutter – in einen secondhand Laden, ein Spielzeuggeschäft oder einen Puppenladen. Dort entdeckt sie die Clownpuppe mit den hochgehaltenen Fingern (in diesem Beispiel nehme ich die Version mit den 3 Fingern). Sie entscheidet sich, die Puppe zu kaufen oder bittet ihre Mutter darum.

In vielen Fällen reagiert der Verkäufer merkwürdig – manchmal warnt er die Mutter oder das Kind auch –, wodurch sich das Mädchen aber nicht von ihrem Wunsch abhalten lässt.

Als sie wieder Zuhause ist, spielt sie ausgiebig mit der Puppe, bis sie schließlich ins Bett muss. Die Puppe stellt sie in ihr Zimmer oder sie nimmt sie gar mit ins Bett.

Am nächsten Morgen möchte die Mutter ihre Tochter wecken, doch muss entsetzt feststellen, dass das Mädchen Tod ist. Häufig ist sie auf brutale Weise gestorben, wurde ausgeweidet oder liegt in einer großen Blutlache.

Anschließend bemerkt die Mutter die Clownpuppe, die jetzt vier, statt drei Fingern hochhält.

Ort des Geschehens:

Der Ort des Geschehens wird in den meisten Fällen nicht näher benannt oder vom Erzähler der Geschichte selbst bestimmt. Häufig spielt sie jedoch in den USA.

Ursprung:

Der Ursprung der Legende der Clownpuppe ist unbekannt. Es ist aber sehr gut möglich, dass jemand sich die Legende ausgedacht hat, um die Angst vor Clowns mit der Angst vor Puppen zu kombinieren.

Über das Alter der Legende habe ich nichts herausfinden können.


Was haltet ihr von der Legende der Clownpuppe? Hättet ihr eurer Tochter die Puppe gekauft, wenn ihr in der Situation der Mutter gewesen wärt? Schreibt es mir in die Kommentare!

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6 Kommentare

  1. Tanic Müller schreibt:

    Never, never ever!
    Nie und nimmer hätte ich meiner Tochter gestattet, dieses Ding mit zu uns nach Hause zu nehmen – und wenn sie noch so gebettelt hätte …

    Schon als Kind hatte ich eine starke Abneigung gegen Puppen, die sich im Laufe der Zeit zu einem wahren Horror gewandelt hat. Auch Clowns waren mir bereits in frühen Jahren suspekt: viel zu grell, zu laut, zu tölpelhaft … – insgesamt einfach zu unnatürlich. Stofftiere hingegen, die mochte ich, solange sie aussahen wie echt; also keine rosa Elefanten …
    Monster wiederum, wie die ‚Wilden Kerle‘, fand ich lustig (ich weiß nicht, ob es dieses Kinderbuch noch gibt).
    Doch eine Horror-Clownspuppe hätte ich sicherlich schon damals ganz abscheulich gefunden …
    Lustig oder? Ich kann mir das nicht mal erklären, weshalb ich Monster bereits als Kind faszinierend fand, lila Flusspferde dagegen ablehnte, ebenso wie Puppen und Clowns – während mir Natürlichkeit bei Plüschtieren wieder ganz wichtig war …

    Nachdem wir nun die Frage nach Clowns und Puppen (wenn auch nicht letztendlich) geklärt hätten, wird es Zeit, dir endlich mal ein großes Lob für deinen Blog auszusprechen.
    Ich bin vor ein paar Wochen per Zufall hier gelandet, als ich auf der Suche nach einer Erläuterung zum ‚Rake‘ war – und ich bin von deiner Idee, besonders aber von deiner Umsetzung restlos begeistert. Du gehst das Ganze mit deinen Recherchen richtig wissenschaftlich an, und da ich selbst u.a. Kulturanthropologie studiert habe, gefällt mir dein Aufbau mit Geschichte und anschließender Erläuterung unglaublich gut.
    Auch deine Zeichnungen mag ich sehr; sie erinnern mich an ‚Naive Malerei‘, ein Kunststil, der wirklich so heißt (ist also als Kompliment gemeint).

    Inzwischen habe ich – Corona sei Dank – all deine Einträge gelesen und freue mich seitdem jeden Montag auf eine neue Legende.
    Nun bin ich ein klein wenig älter und weder mit Handy noch mit Laptop groß geworden, weshalb das nicht so in mir drin ist, sofort bei allem und überall meinen Senf dazu zu geben. Daher hat es etwas gedauert, bis ich mich endlich mal hingesetzt habe, um dir ein längst fälliges Feedback zu verfassen. Ich hoffe, du freust dich auch über eine Verspätung.
    Mach unbedingt so weiter, ja?

    Viele liebe Grüße,
    Tanic

    • Jeremie Michels schreibt:

      Hallo Tanic,

      erst einmal vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar! 😀

      Du hättest also – wenn es deine Tochter gewesen wäre – dein Versprechen gebrochen und ihr gesagt, dass sie eine normalere Puppe nehmen soll? Und wenn sie dann eine Szene gemacht hätte? (Dazu musst du bedenken, dass die Mutter in ihrer Situation eh schon ein schlechtes Gewissen hatte 🤔)

      Das mit den Puppen kann ich nachvollziehen. Wenn es nicht gerade in Richtung Barbie geht, können die Teile schon verdammt gruselig sein.
      Clowns mag ich hingegen gerne – sowohl normale, als auch Horrorclowns. Und gegen bunte Stofftiere habe ich auch nichts einzuwenden … 😀

      Und vielen Dank für das Lob. Ich freue mich wirklich darüber, dass mein Blog trotz relativ kleiner Reichweite so gut ankommt.
      Was die Zeichnungen angeht, würde ich teilweise gerne mehr Zeit in sie investieren (im Durchschnitt sitze ich an den Zeichnungen 2 Stunden), kann das mit meinem Zeitplan aber leider nicht vereinbaren. Hintergründe wie z.B. beim Irrlichter-Bild fände ich ja persönlich nicht schlecht. ^^‘
      (Dafür warte ich zur Zeit auf ein bestimmtes Brush-Set, das bald für mein Zeichenprogramm herauskommen soll. Da wird sich dann wahrscheinlich an dem Stil noch einmal leicht etwas ändern.)

      Aber wenn du alle Geschichten gelesen hast, würde es mich wahnsinnig interessieren, welche Art von Geschichte/Legende dir am besten gefällt und welche du vllt. nicht ganz so gerne magst.

      Und keine Sorge, ich werde definitiv weiter machen (auch wenn ich gerade mit dem Gedanken spiele, auf alle 2 Wochen umzusteigen, damit ich endlich mal mit meinem Buch und dem geplanten Podcast, bei dem ich die Geschichten vertone, weiterzukommen).

      Gruß
      Jeremie

    • Jeremie Michels schreibt:

      Sie muss die Nummer ja nicht auswendig kennen. Bei vielen Telefonen kann man Nummern standartmäßig einspeichern, dann braucht sie nur einen Knopf drücken.
      Wenn die Mutter selten Zuhause ist, wäre das also definitiv sinnvoll (egal, ob jetzt Handy oder Arbeitstelefon). 🤔

      (Oder ich hab Müll geschrieben, aber ich halte es definitiv für realistisch! ^^)

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