
Trotzdem bekam ich ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Was machte sie so spät noch hier draußen? In der Dunkelheit? Wo war sie plötzlich hergekommen? Wieso war niemand bei ihr? Und warum starrte sie mich beim Springen die ganze Zeit so an?
„Hee! Lass das!“, erwiderte Margery lachend. Ihr Lachen blieb ihr jedoch im Halse stecken, als es plötzlich in einem Gebüsch neben uns raschelte.
Fast sofort waren die Strahlen unserer Taschenlampen auf die Blätter gerichtet. Erst jetzt bemerkte ich, wie dunkel und unheimlich der Wald zu unserer Rechten wirkte. Wie Beine von erstarrten Riesen standen die Bäume in der Gegend herum. Tote Äste und Wurzeln ragten wie Knochen aus dem Boden. Schwache Nebelschwaden, die ich vorher nicht gesehen hatte, krochen kalt zwischen den Stämmen entlang ...
Das hatte ich befürchtet. Die Kinder waren hier, um den Geist zu suchen. Wieso sollte die Geschichte der Green Lady die drei also verängstigen? Ich musste wohl oder übel noch etwas mehr erzählen.
„Ich war noch nicht ganz fertig“, sagte ich. Mein Blick schweifte ab und wanderte einen Moment in vergangene Zeiten. „Ich habe euch noch nicht erzählt, was vor 40 Jahren passiert ist, als ein kleines Mädchen nach der Green Lady gesucht hat.“
„Sie drückt dich also ganz doll ... Mehr nicht?“, fragte Kyle. Er ließ mir aber keine Zeit zu antworten. Stattdessen schnaubte er verächtlich. „War ja klar, dass Mom und Dad ihren kleinen Aidan wieder beschützen müssen. Sie wollten dir wohl keine Angst machen. Sonst hätten sie dir die Wahrheit gesagt.“
Dann hatte Annabelle mich erreicht. Sie stand direkt vor meinem Gesicht. Ihre kalten emotionslosen Augen starrten mich direkt an, während sie sich langsam auf die Knie fallen ließ. Ihr starres, sonst so niedliches Lächeln wirkte jetzt hinterhältig und fies. Ich sah, wie sie ihre Ärmchen hob, und spürte ihre kalten, weichen Hände an meinem Hals ...
„Willst du nicht nach dem Jungen sehen?“, fragte eine tiefe Männerstimme. Der Mann sprach leise, als versuche er, gruselig zu klingen.
„Wie bitte?“
„Er schläft doch so friedlich in seinem Zimmer.“
Mir stockte für einen Moment der Atem. „Ha ha, sehr lustig!“, sagte ich genervt. Dann knallte ich den Hörer auf die Gabel.
Er sah genauso aus, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Das weiße Fell seines Hasenkostüms war dreckig, der Kopf überdimensioniert, wie bei einem Maskottchen. Seine starre, lächelnde Fratze starrte mich leer an. Die Axt in seinen Händen sah alt aus und hatte einen hölzernen Griff. Der Bunny Man war real ...
Je näher ich kam, desto besser konnte ich den Mann erkennen, der inzwischen bei der Tür stand. Er hatte lange, zottelige Haare, einen Vollbart und eine große, kräftige Figur. Abgesehen von seinem blauen Hemd mit dem Namensschild wirkte er überhaupt nicht wie ein typischer Kassierer, eher wie ein Trucker oder Biker ...