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Lovers Lane Legenden Zeichnung von Jeremie Michels. Man sieht den Schatten eines Mannes mit mit einem Haken statt einer Hand im Vordergrund. Im Hintergrund steht ein geparktes Auto, in dem die Silhouetten zweier Personen miteinander knutschen.
Lovers Lane Legenden (2020)

Die Lovers Lane Legenden

Lovers Lane Legenden sind seit vielen Jahrzehnten eine berühmte Art von urbanen Legenden. Sie haben ihren Ursprung wahrscheinlich in den 1950er oder 1960er Jahren.

Die Geschichte:

„James … Was wollen wir hier?“, fragte ich leicht genervt. „Du weißt, dass ich um zehn zu Hause sein muss!“

James beachtete mich nicht, sondern parke seinen Wagen am Straßenrand. Dann stellte er den Motor ab.

Ich kannte den Ort. Immerhin war es nicht das erste Mal, dass wir in dieser Lovers Lane parkten.

„Schatz, jetzt mach dir nicht so einen Kopf. Öffne lieber das Handschuhfach!“

Ich sah ihn irritiert an. „Okay?“, sagte ich mit einem leichten Lachen. Ich zog an dem Öffner, woraufhin das Fach aufklappte. Sofort fiel mir eine kleine, pinke Schachtel entgegen.

„Frohen Valentinstag“, sagte James.

Ich nahm die Schachtel in die Hand. Auf dem Deckel stand in schnörkeliger Handschrift „Patricia, ich liebe dich!“. Ich lächelte. Dann hob ich neugierig den Deckel.

Zwölf kleine Schokoherzen mit einem P+J darauf, sahen mir entgegen.

„Pralinen? Sind die etwa …?“

„Selbstgemacht, ja“, vervollständigte James meinen Satz. „Ich weiß ja, dass sie deine Lieblingspralinen nicht mehr herstellen, also dachte ich mir, ich versuche es einmal selbst.“

„Aber James …“

„Na los, probier schon!“

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich nahm eines der Schokoherzen aus der Schachtel und steckte es mir in den Mund.

Ich kaute. Der cremige Geschmack der Füllung füllte meinen gesamten Mundraum aus. „Wow, die sind wirklich gut!“, sagte ich mit vollem Mund. James hatte sich selbst übertroffen!

Wenig später saß ich auf seinem Schoß, während wir rumknutschten und Musik im Radio hörten.

‚Wenn mein Vater uns sehen würde, würde er uns beiden den Kopf abreißen‘, dachte ich, machte jedoch keine Anstalten, aufzuhören.

„Hör mal: unser Lied“, sagte James. Lächelnd drehte er das Radio auf.

Tatsächlich! Da lief ausgerechnet jetzt unser Lied im regionalen Radiosender. Es war, als wolle das Universum uns einen perfekten Abend bereiten … Eine bittere und hinterhältige Lüge.

„Wir unterbrechen den Song für eine Eilmeldung“, ertönte plötzlich eine Stimme aus dem Radio. Ich drückte mich leicht von James weg. „Vor etwa einer halben Stunde ist ein Strafgefangener aus einer psychiatrischen Anstalt geflohen. Bitte halten Sie Fenster und Türen geschlossen.“

Gebannt hörten wir zu, wie die Stimme im Radio einen recht durchschnittlichen Mann mittleren Alters, der mehrere Männer und Frauen brutal ermordet haben soll, beschrieb.

Als sie mehr Details zu der psychiatrischen Anstalt nannten, gefror ich. Das war keine viertel Stunde von hier entfernt!

„Danke für‘s Stimmung Töten!“, schnauzte James das Radio an. „Aber was solls. Ich muss eh pissen.“

Ich rollte mit den Augen. Welch romantische Wortwahl. Aber wenigstens wäre ich dann rechtzeitig zu Hause.

Statt den Motor zu starten, griff James jedoch nach dem Türgriff.

„Was tust du da? Du wirst nach den Nachrichten doch wohl nicht nach draußen gehen?!“

„Schatz, entspann dich. Wie hoch ist bitte die Wahrscheinlichkeit, dass der Typ sich ausgerechnet hier herumtreibt?“ Mit diesen Worten verließ er das Auto und verschwand hinter einigen Bäumen.

Während James weg war, rollte ich ein Fenster runter, drehte das Radio lauter und versuchte, mich zu entspannen. Trotzdem konnte ich es mir nicht verkneifen, immer wieder die Straße rauf und runter zu blicken.

In der Ferne näherten sich zwei Scheinwerfer. Gebannt beobachtete ich, wie die Lichter näher und näher kamen.

‚Bitte halt nicht an. Bitte halt nicht an. Halt einfach nicht an‘, dachte ich immer wieder.

Als der Wagen schließlich bei mir war, warf mir der alte Mann am Steuer einen seltsamen Blick zu. Mehr geschah jedoch nicht. Bald bog das Auto um eine Ecke. Die Straße war wieder leer.

Wie lange brauchte James eigentlich?

Wie auf Kommando ertönten plötzlich Schritte von draußen. Na endlich!

Doch so plötzlich, wie die Geräusche gekommen waren, verstummten sie auch wieder.

War das etwa doch nicht James?

Da! Wieder Geräusche. Diesmal klang es jedoch anders. Eher wie eine Art Schleifen.

„James? Bist du das?“, rief ich durch das geöffnete Fenster. „Lass den Scheiß. Ich muss nach Hause!“

Keine Antwort.

Was, wenn das doch nicht James war? Unruhig kurbelte ich das Fenster hoch. Dann griff ich nach den Pralinen. Ich musste mich irgendwie ablenken. Wenn ich mir jetzt wegen jeder Kleinigkeit Panik machte, würde das auch nicht helfen. James hatte schon recht. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass … Wumm!

Die Pralinen flogen quer durchs Auto, so sehr hatte ich mich erschrocken: Das Geräusch kam vom Autodach.

Jetzt folgte wieder ein Schleifen. Es klang, als ob etwas Schweres über das Dach gezogen wurde!

War das irgendeine Art Tier?

Ohne weiter darüber nachzudenken, betätigte ich die Hupe. Wenn es ein Tier war, würde es dadurch hoffentlich abhauen. Außerdem würde James so auf mich aufmerksam werden!

Wumm! Wumm!

Noch einmal betätigte ich die Hupe. Wieso hörte es denn nicht auf? Außerdem fehlte von James noch immer jede Spur!

„James, wenn du das bist … Es reicht!“, kreischte ich. Panik stieg in mir auf.

Wumm! Wumm! Wumm! Wumm! Das Klopfen wurde immer stärker.

Was passierte denn hier?

Panisch sah ich zu den Autotüren. Sie waren alle nicht verriegelt!

Ich drückte den Türpin an meiner Seite runter, steckte den Arm zur Fahrertür und verriegelte auch sie. Fehlten nur noch die Türen hinten …

Was auch immer da klopfte. Es durfte nicht ins Auto kommen!

Hätte ich doch nur mehr Mut gehabt … hätte nachgesehen …

Stattdessen kletterte ich, so schnell ich konnte, auf die Rücksitzbank. Gut, die rechte Tür war verriegelt. Fehlte nur noch die linke …

Geschafft! Alle Türen waren von innen verschlossen. Der Schlüssel steckte noch im Zündschloss. Von Außen kam jetzt niemand mehr rein!

Das Klopfen wurde trotzdem immer energischer.

Konnte James jetzt bitte einfach aus dem Wald kommen?! Ich würde ihm die Tür öffnen und wir wären nichts wie weg hier!

Doch James kam nicht. Es blieb nur das laute, beängstigende Klopfen. Was zur Hölle konnte das nur sein? Worst Case wäre der Killer aus dem Radio. Aber hätte der nicht eher die Türen geöffnet und wäre ins Auto gestiegen? Wollte er mich rauslocken?

Dann kam mir ein neuer Gedanke: Vielleicht hatte James – was auch immer es ist – auf dem Autodach gesehen. Traute er sich deswegen nicht hier her?

Wenn es wirklich der Killer war, der mich rauslocken wollte, müsste ich nur Gas geben. Er würde dann vom Autodach geschleudert werden …

Ich kletterte auf den Fahrersitz. Als ich den Motor anließ, wurde das Klopfen plötzlich zu einem Donnergrollen. Das Schlagen, Treten, Hämmern – was auch immer – wurde deutlich schneller, aggressiver.

Ich wollte einfach nur noch weg. Aber was war mit James? Wieso war er noch nicht wieder da?

„Scheiß drauf!“, fluchte ich. Ich trat mit voller Kraft aufs Gaspedal.

Das Klopfen wurde zu einem Poltern, das abrupt in dem Moment stoppte, als ich im Rückspiegel etwas vom Autodach fliegen sah. Es fiel jedoch nicht, sondern blieb in der Luft hängen …

Nachdem ich das Auto wieder angehalten hatte, realisierte ich, wie sehr das Wort „hängen“ zutraf …

„James?“, hauchte ich ungläubig.

Dann bemerkte ich den Strick um seinen Hals.

Mit weit aufgerissenen Augen fuhr ich herum und starrte durch die Heckscheibe. Dort hing James. Er zappelte wild mit den Füßen, während seine Hände gefesselt an seinem Rücken hingen. Das Seil drehte sich langsam, sodass ich ihn von allen Seiten sehen konnte. Jetzt bemerkte ich auch den Knebel in seinem Mund. Deswegen hatte er nicht geantwortet!

Ich hatte James mit meinem Losfahren den Boden unter den Füßen genommen!

Irgendwann hörte er auf zu zappeln. Schlaff hing sein Körper da. Ich hasste mich dafür, dass ich nicht ausgestiegen war, ihm nicht geholfen hatte.

Aber vielleicht wäre er in dieser Nacht dann nicht das einzige Opfer geblieben. Wer konnte schon wissen, was genau da draußen auf mich wartete …

Die Legende:

Es gibt viele urbane Legenden, die in einer sogenannten Lovers Lane (zu deutsch etwa Liebendenstraße) spielen. Unter „Ablauf“ habe ich euch einige aufgelistet.

Bei einer Lovers Lane handelt es sich um eine Straße, einen Parkplatz oder einen anderen Ort, der mit dem Auto zugänglich ist, wo sich Paare treffen, um im Auto rumzumachen. Es reicht von simplen Küssen bis hin zu sexuellen Aktivitäten.

Täter:

Über die Täter ist in den meisten Lovers Lane Legenden wenig bekannt. Häufig ist es ein entlaufender Straftäter oder Insasse einer psychiatrischen Anstalt, der im Autoradio angekündigt wird.

Manchmal hat der Täter auch sehr klischeehaft einen Haken statt einer Hand.

Ablauf:

Der Anfang der Lovers Lane Legenden ist fast immer derselbe: Ein Paar parkt abends oder nachts in einer Lovers Lane und macht im Auto rum. Meist wird aus Sicht der Frau erzählt.

Sie hören von einem entlaufenen Irren oder Strafgefangenen im Radio, denken sich aber in den meisten Erzählungen nichts weiter dabei.

Variante 1:

Bei dieser Variante verlässt der Mann das Auto – meist, da er auf Toilette müsse.

Nach einiger Zeit hört die Frau plötzlich ein Klopfen oder eine Art Schleifen vom Autodach.

Da ihr Freund bereits sehr lange fort ist, bekommt sie Panik, startet das Auto und fährt los.

Im Rückspiegel sieht sie jedoch plötzlich ihren Freund an einem Strick hängen.

Je nach Erzählung war der Freund bereits tot und seine leblosen Füße sind über das Dach geschleift. Oder aber der Freund war geknebelt und hatte gefesselte Hände, während er mit einem Strick um den Hals auf dem Autodach stand. Er versuchte, mit Tritten auf dem Dach auf sich aufmerksam zu machen. Als die Freundin jedoch losfuhr, hat sie ihm den Boden unter den Füßen weggenommen, weswegen er erhängt wurde.

Variante 2:

In der zweiten Variante verlässt der Freund ebenfalls das Auto und die Freundin hört nach kurzer Zeit ebenfalls ein Klopfen vom Autodach.

In dieser Variante wird sie jedoch daran gehindert, loszufahren – meist durch einen vom Täter bewusst zugefügten Autoschaden oder aber durch ein Seil oder eine Kette, mit der das Auto an einen Baum gebunden wurde.

Die Freundin bekommt Panik und schließt – wenn noch nicht früher geschehen – das Auto ab.

Plötzlich tritt ein Mann neben das Fenster. Er hebt eine Hand, sodass die Frau den abgetrennten Kopf ihres Freundes – mit dem der Täter zuvor auf das Autodach geschlagen hat – in seiner Hand sehen kann.

Anschließend hebt er die andere Hand – manchmal auch einen Haken, statt einer Hand –, in der er die Autoschlüssel hält.

Variante 3:

In dieser Variante hat der Mann im Radio immer einen Haken statt einer seiner Hände. Nach der Durchsage bekommen die beiden Protagonisten Angst und fahren nach Hause. Manchmal hören sie auch Geräusche von außerhalb des Autos, wodurch sie erst Angst bekommen.

Zuhause angekommen bemerken sie dann entweder eine Hakenhand, die an einem der Türgriffe hängt, oder aber eine Hakenhand, die in einer der Autotüren steckt.

Ort des Geschehens:

Der Ort des Geschehens ist natürlich immer eine Lovers Lane. Meist befinden sich die Protagonisten in einem Auto, selten in einem Wohnmobil.

Es gibt jedoch auch alternative Versionen einiger der unter „Ablauf“ genannten Legenden, die nicht in einer Lovers Lane, sondern in einem Wald o.Ä. spielen.

Ursprung:

Auch wenn die Lovers Lane Legenden wirken, als hätte man sie aus einem schlechten Horrorfilm genommen, gab es tatsächlich eine Menge realer Lovers Lane Morde.

So gab es Mordreihen wie die Texarkana Moonlight Murders, eine Reihe ungelöster Mordfälle von 1946, die mit zwei Angriffen in einer Lovers Lane begannen, aber auch Serienmörder wie den weltberühmte Zodiac Killer oder den Son of Sam Serienmörder, die unter anderem für Morde in Lovers Lanes verantwortlich sind.

Neben diesen großen Fällen gibt es außerdem jede Menge Überfälle, Vergewaltigungen und Morde, die sich ebenfalls in einer Lovers Lane zugetragen haben.

Die bekannteste Lovers Lane Legende heißt „The Hook“ oder „Hookman“. Sie erlange 1960 ihre Bekanntheit, als sie in „Dear Abby“, einer damals in den USA beliebten Beratungskolumne, in Form eines Leserbriefes veröffentlicht wurde.

Der Ablauf stimmt grob mit meiner unter „Ablauf“ aufgelisteten Version 3 überein, wobei zusätzlich in dem Leserbrief stand, dass die Verfasserin von der Legende lediglich gehört habe, aber nicht wisse, ob sie tatsächlich stimmt.


Was haltet ihr von den Lovers Lane Legenden? Kanntet ihr bereits welche von ihnen? Welche Lovers Lane Legende ist euer Favorit?

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