Banchō Sarayashiki, die Legende von Okiku, ist eine berühmte japanische Geistergeschichte. Ich selbst habe erst durch meine Japanischlehrerin davon erfahren, was mich bei der Recherche wirklich überrascht hat, da sie zu den bekanntesten Geistergeschichten Japans gehört.
Es ist eine Geschichte von einseitiger Liebe, Besessenheit und dem Unrecht an einer unschuldigen Frau.
Viel Spaß beim Gruseln!
Inhalt
Die Geschichte:
Mein Name ist Aguri. Ich war Angestellte bei dem ehrenwerten Aoyama Tessan, einem Samurai in der Edo-Zeit hier in Japan. Wobei „ehrenwert“ kein Wort ist, mit dem ich Aoyama bezeichnet hätte. Und ich denke, nach dieser Geschichte werdet ihr das auch so sehen.
Dies ist aber keine Geschichte über meinen Herrn. Es ist auch keine Geschichte über mich. Nein, in dieser Geschichte geht es um Okiku, ein Dienstmädchen bei Aoyama. Sie war jung und hübsch. Es war kein Geheimnis, dass Aoyama sie begehrte. Doch so oft er sie auch fragte, so sehr er ihr versprach, sie mit Reichtümern zu überhäufen, sollte sie seine Frau oder auch nur seine Geliebte werden, Okiku lehnte seine Angebote stets ab.
Aoyama gab sich wirklich Mühe. Er machte ihr Geschenke, gab ihr die schönsten Kimonos, das beste Essen. Und auch, wenn es übergriffig von ihm war, ihr nein nicht zu akzeptieren, er manchmal eine Linie übertrat, so gab es doch das eine oder andere Dienstmädchen, das liebend gerne den Platz mit Okiku getauscht hätte.
Aber Aoyama wollte kein anderes Dienstmädchen. Er wollte nur die junge schöne Okiku. Und so wurden seine Pläne, sie endlich für sich zu gewinnen, immer hinterlistiger.
Eines Morgens, ich erinnere es noch gut, gab es einen Aufruhr in Aoyamas Anwesen. Er besaß eine alte Sammlung von zehn Tellern. Sie waren ein Geschenk, kamen ursprünglich aus den Niederlanden in Europa und waren fast unbezahlbar. Wenn jemand einen von ihnen zerbrach oder stahl, war das mit dem Tode strafbar. Und es war Okikus Aufgabe, auf die Teller aufzupassen, sie staubfrei zu halten, damit sie immer im besten Licht erstrahlten. Neben Aoyama war sie die Einzige im gesamten Haus, die die Teller auch nur anfassen durfte.
Doch an jenem schicksalhaften Morgen war einer der Teller verschwunden.
„Eins, zwei, drei, vier“, hörte ich Okiku panisch zählen, als ich zu ihr ins Zimmer stürzte. „Fünf, sechs, sieben, acht.“
Ich sah, wie die anderen Angestellten einen Halbkreis gebildet hatten. In ihrer Mitte stand Aoyama, der mit strengem Blick auf Okiku hinabstarrte, die vor ihm auf dem Boden kniete. Die wertvollen Teller lagen vor ihr ausgebreitet.
„Neun“, beendete Okiku ihr Zählen. „Neun. Das kann nicht sein. Einer fehlt. Eins, zwei, drei, …“ Sie zählte die Teller erneut, als hoffe sie, sich bloß verzählt zu haben. Die junge Frau war den Tränen nahe. Es brach mein Herz. Noch nie zuvor hatte ich Okiku so verzweifelt gesehen.
„Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“, fragte Aoyama erbarmungslos. „Was hast du mit dem zehnten Teller gemacht?“
Okiku sah mit großen Augen zu ihm auf. „Bitte, Herr Aoyama“, flehte sie. „Das muss ein Irrtum sein! Ich weiß nicht, was mit dem Teller passiert ist!“
„Ist er dir zerbrochen und du hast die Beweise vernichtet? Oder hast du ihn gestohlen?“, schrie er sie unnachgiebig weiter an.
Schnell tat ich einige Schritte auf die beiden zu. „Verzeihung, Herr Aoyama“, sagte ich mit gesenktem Blick. „Aber wäre es nicht möglich, dass jemand anderes den Teller …“ Weiter kam ich nicht.
„Wer hat dir erlaubt, die Stimme zu erheben, Aguri?“, schrie er nun mich an. „Raus hier! Alle außer Okiku! Nehmt euch den Tag frei! Ich brauche meine Ruhe, während ich über Okikus Bestrafung nachdenke!“
Ich sah Aoyama fassungslos an. Noch nie in all den Jahren, die ich für ihn oder für seinen Vater vor ihm gearbeitet hatte, wurde in diesem Haus so mit mir gesprochen. Trotzdem nickte ich nur knapp, ehe ich den anderen Angestellten aus dem Raum folgte. Aoyama war kein Mann, mit dem eine Bedienstete diskutieren durfte.
„Du weißt, welche Strafe auf deinem Vergehen liegt“, hörte ich Aoyama sagen, während ich die Tür hinter den anderen Angestellten und mir schloss. Noch immer drang seine Stimme gedämpft aus dem Raum. „Wenn du doch bloß meine Frau wärst, dann könnte ich darüber hinwegsehen …“
Mehr hörte ich von dem Gespräch jedoch nicht. Ich war bereits auf dem Weg zur Haustür.
—
Als ich am späten Nachmittag in das Anwesen zurückkehrte, fehlte von Okiku jede Spur. Und Aoyama machte keine Anstalten ihre Abwesenheit zu erklären.
Ich hörte zwei junge Bedienstete darüber reden, dass Okiku wahrscheinlich aus dem Haus verbannt wurde. Andere Gerüchte besagten, dass sie geflohen sei, um ihrer Strafe zu entkommen.
Auch ich hatte das anfangs geglaubt. Es gab keinen Grund, irgendetwas anderes zu vermuten. Aber die Wahrheit war sehr viel schrecklicher. Ohne Okiku selbst, wäre sie jedoch wahrscheinlich nie ans Licht gekommen.
Es begann in der folgenden Nacht. Ich lag gerade auf meinem Futon, versuchte einzuschlafen, während ich über die Ereignisse nachdachte, da hörte ich plötzlich etwas.
„Eins.“ Das war Okikus Stimme! „Zwei“, zählte sie langsam.
Schnell stand ich auf. Ich schlich in meiner Nachtwäsche zur Tür, um zu ihr zu eilen, sie zu fragen, was passiert war.
„Drei.“ Ihre Stimme war leise, und doch konnte ich sie ganz deutlich hören.
Ich rannte zu ihrem Zimmer. Es war leer.
„Vier.“
Mein nächster Anlaufpunkt war das Wohnzimmer, wo Aoyama seine teuren Teller zur Schau stellte. Doch auch hier war niemand.
„Fünf.“
Also konzentrierte ich mich auf ihre Stimme. Ich versuchte, ihren Ursprung auszumachen, drehte den Kopf nach rechts und links.
„Sechs.“
Schnell folgte ich der Stimme weiter in den Flur. Erst jetzt realisierte ich, dass sie nicht aus dem Haus kam. Sie kam aus dem Innenhof!
„Sieben.“
Ich zog die Tür auf und stürzte nach draußen. „Okiku!“ Meine Schritte wurden langsamer. Der Innenhof war leer.
„Acht.“
Ihre Stimme war so nahe. Wo konnte sie nur sein?
„Neun.“
Mein Blick fiel auf den alten Brunnen. Sie wird doch nicht …
„Einer fehlt!“, sagte sie dann plötzlich.
Ich war in der Zwischenzeit zum Brunnen geeilt und starrte hinein. Meine Augen waren weit aufgerissen.
Dort unten war Okiku, knapp unter der Wasseroberfläche. Ich konnte sie nur sehen, weil ihr Körper in einen weißen Kimono gehüllt war, wie ihn Leichen bei einer Beerdigung trugen. Aber ich wusste, dass sie keine vernünftige Beerdigung bekommen hatte. Genauso wie ich wusste, dass ich gerade ihren Geist sah.
Dann plötzlich stieß sie ein ohrenbetäubendes Geschrei aus. Ich musste mir die Hände auf die Ohren pressen. Es waren Klagelaute, so voller Leid, wie ich sie noch nie zuvor gehört hatte.
Während ich also dasaß, die Hände fest auf meinen Ohren, wusste ich nur, dass Okikus Leiche im Brunnen liegen muss. Wie sonst hätte ihr ruheloser Geist dorthin gelangen können? Hatte Aoyama sie dort hineingeworfen? Oder war Okiku selbst gesprungen?
Die Wahrheit sollte ich erst kurz vor Aoyamas Tod erfahren.
Er gestand mir, dass er Okiku erpresst hatte. Er selbst hatte den Teller entwendet, um ein Druckmittel zu haben, sie „zu ihrem Glück zu zwingen“, wie er es formuliert hatte.
Nachdem sie ihn jedoch erneut zurückwies, beteuerte, dass sie nichts mit dem verschwundenen Teller zu tun habe, hatte sein Kopf ausgesetzt. Er war in blinde Wut verfallen, hatte ein hölzernes Übungsschwert von der Wand gerissen und Okiku damit verprügelt.
„Willst du nun endlich meine Frau werden?!“, hatte er gebrüllt, seine Tonlage mehr ein Befehl als eine Frage.
„Nein!“, hatte Okiku gekreischt. Tränen rannen über ihre hübschen Wangen. „Herr Aoyama, bitte! Ich war es nicht!“
Doch das war nicht das, was Aoyama hören wollte. Er hatte die von den Schlägen geschwächte Okiku gepackt und sie nach draußen zum Brunnen gezerrt. Dort hatte er ihren Körper mit dem Kopf zuerst über den Brunnenrand gehängt und sie erneut aufgefordert: „Willst du nun endlich meine Frau werden?!“
Doch Okiku ließ sich nicht erpressen. Sie war sich keiner Schuld bewusst. „Bitte, Herr Aoyama! Ich habe nichts damit zu tun. Lassen sie mich gehen!“, schrie sie. Der Widerhall des Brunnens verstärkte die Panik in ihrer Stimme, die Angst, die sie in dem Moment vor Aoyama gehabt hatte.
Da erkannte Aoyama, dass Okiku ihn niemals lieben würde. Er zögerte nicht länger und ließ sie einfach los. Sie stürzte kopfüber in den Brunnen.
Er sagte, dass es nicht lange gedauert hätte, bis ihre Hilferufe verstummt waren. Anschließend sei er mit einer Mischung aus Wut, Trauer und Schuldgefühlen in sein Anwesen zurückgegangen. Er sagte, dass er den Tag fortgesetzt habe, als sei nie etwas passiert.
—
Ich blieb so lange vor dem Brunnen sitzen, bis das Geschrei von Okikus Geist irgendwann verstummte. Anschließend stand ich auf und ging zurück in mein Zimmer. Dabei begegnete ich vielen anderen Angestellten, die ebenfalls aufgestanden waren, um dem Lärm nachzugehen, aber ich wechselte kein Wort mit ihnen.
Mein Kopf war voll, meine Gedanken lauter als Okikus Schreie. Noch wusste ich ja nicht, was passiert war. Ob Aoyama wirklich für ihren Tod verantwortlich war oder sie sich selbst das Leben genommen hat, um seiner Strafe zu entgehen. Oder aus Verzweiflung, weil sie doch für den verschwundenen Teller verantwortlich gewesen war.
Ich fand in jener Nacht keinen Schlaf mehr. Und auch in den folgenden Nächten wurde Schlaf zu einem seltenen Luxus. Denn Okikus Geist kehrte fortan jede Nacht zurück, um die Teller zu zählen und anschließend in klagevolles Geheule zu verfallen. Es zerbrach mir das Herz, aber es gab nicht viel, was ich dagegen tun konnte.
Trotzdem machte ich mich heimlich auf die Suche nach dem Teller – nur für den Fall, dass sich mein Verdacht bestätigte und Aoyama den Teller tatsächlich selbst entwendet hatte, um Okiku zu erpressen. Aber ich konnte das Geschirr nie finden.
Bald litt auch der Rest des Hauses unter den ruhelosen Nächten. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Angestellten kündigten. Erst waren es hauptsächlich meine jüngeren Kollegen. Die älteren, wie ich, harrten länger aus. Einige schliefen auswärts, verließen das Haus jeden Tag bei Sonnenuntergang und kehrten nicht vor der Morgendämmerung zurück. Andere taten es mir gleich und ließen Okikus Klagelaute Nacht für Nacht über sich ergehen.
Und so wurde das Haus Woche für Woche, Tag für Tag leerer. Bald waren neben Aoyama und mir nur noch eine Handvoll von uns übrig.
Wem es allerdings am schlimmsten erging – mal einmal von Okiku abgesehen – war Aoyama selbst.
Es hatte nur einige Wochen gedauert und er war kaum noch mehr als eine wandelnde Leiche. Sein Gesicht war eingefallen, seine Augenringe dunkel, sein Körper dünn und knochig.
Eines Morgens ging ich in sein Zimmer, um seinen Futon wegzuräumen, da saß er am Boden vor mir. Sein Katana vor ihm ausgebreitet.
Das war der Moment, in dem er mir seine Tat gestand. Dass er den Teller selbst verschwinden ließ, wie er Okiku verprügelt hatte und sie schließlich in den Brunnen fallenließ.
„Was habe ich nur getan?“, fragte er mehr sich selbst als mich. „Ich habe Okiku geliebt. Früher konnte ich sie wenigstens jeden Tag sehen, mich an ihrer Schönheit erfreuen. Und jetzt? Jetzt bleibt mir nur ihr Geist, der mich jede Nacht quält.“ Er setzte das Schwert mit der Klinge an seinem Bauch an. „Okiku. Es tut mir leid“, hauchte er.
Aber das half der armen Frau jetzt auch nicht mehr. Ich sah auf Aoyama hinab, wie er auf Okiku hinabgeblickt hatte, als sie vor seinen Augen die Teller gezählt hatte. Die Wahrheit über Okikus Tod hatte mich ziemlich aufgewühlt. Ich war kein kaltblütiger Mensch. Trotzdem sah ich bloß mit verächtlichem Blick dabei zu, wie Aoyama sich sein Schwert in den Bauch stieß. Wie ich schon sagte, war er in meinen Augen kein ehrenwerter Mensch. Und so hatte ich in seinen letzten Sekunden auch keinerlei Ehrgefühl mehr für ihn übrig. Aoyama starb vor meinen Augen.
Was jedoch Okiku anging, so fand ihr Geist auch nach Aoyamas Tod keine Ruhe, wie ich zuerst hoffte. Ich durchsuchte das gesamte Haus, jetzt wo Aoyama fort war, durchwühlte schamlos seine Sachen, doch den fehlenden Teller konnte ich nie finden. Wissen die Götter, was Aoyama damit gemacht hatte. Vielleicht hatte er ihn zerstört oder weggeworfen.
Und so kehrt Okikus Geist auch heute noch jede Nacht zurück und zählt die neun Teller. Ich kann nur hoffen, dass bald jemand kommen wird, der Okikus unschuldige Seele von ihrem grausamen Schicksal befreien kann.
Bleibt auf dem neusten Stand und folgt mir auf:





Die Legende:
Banchō Sarayashiki (番町皿屋敷, Japanisch für „Das Teller-Anwesen von Banchō“), auch bekannt unter den Namen „Sarayashiki“ oder „Die Legende von Okiku“, ist eine bekannte Geistergeschichte aus Japan.
Sie handelt von einem Dienstmädchen, das die romantische und/oder sexuelle Begierde ihres Herren nicht erwidert, woraufhin er erfolglos versucht, sie in die Beziehung zu erpressen, ehe er sie ermordet.
Die Legende von Banchō Sarayashiki ist eine der „Nihon san dai Kaidan“ (日本三大怪談, Japanisch für „die drei großen japanischen Geistergeschichten“). Die anderen beiden sind „Die Legende von Oiwa“ (einen Beitrag über diese Geschichte habe ich schon länger auf meiner Liste) und „Botan Dōrō“ (meinen Beitrag darüber findet ihr Hier).
Ablauf:
Es gibt zahlreiche Versionen von Banchō Sarayashiki, die ich weiter unten näher erläutern werde. An dieser Stelle möchte ich euch die Version vorstellen, von der meine Japanischlehrerin mir erzählt hat und um die sich auch meine Geschichte dreht.
Okiku war ein Dienstmädchen, das dem Samurai Aoyama Tessan unterstellt war. Aoyama hatte schon lange ein Auge auf Okiku geworfen, aber all seine Annäherungsversuche wurden von ihr abgelehnt. Das erfüllte den Samurai mit Wut. Er wollte Okiku unbedingt zu seiner Frau haben.
Daher fasste er einen Entschluss: Er hatte ein Set aus zehn wertvollen Tellern – in einigen Versionen ist von Delfter Blau aus den Niederlanden die Rede – die ihm oder seinem Herrn sehr wichtig waren. Wenn einer der Teller gestohlen wurde oder zerbrach, konnte das mit dem Tode bestraft werden. Und Okiku war für diese Teller verantwortlich.
Also versteckte Aoyama einen der Teller. Er beschuldigte Okiku, den Teller zerstört oder gestohlen zu haben. Sie rannte daraufhin entsetzt zu den Tellern und zählte sie wieder und wieder, kam aber immer nur auf neun.
Aoyama, der sie dabei beobachtet hatte, versprach, ihre Bestrafung auszusetzen oder sie nicht zu verraten, wenn er sie dafür zur Frau nehmen dürfe.
Doch Okiku lehnte erneut ab. Das wiederum versetzte Aoyama so in Rage, dass er das Dienstmädchen mit einem hölzernen Schwert verprügelte. Er schleifte sie nach draußen zum Brunnen des Anwesens und folterte sie dort weiter, ehe er sie erneut fragte, ob sie ihn heiraten wolle.
Nachdem sie jedoch erneut ablehnte, warf er sie in den Brunnen, wo Okiku schließlich starb.
Wenn Aoyama jedoch dachte, dass er Okiku daraufhin los sei, hatte er sich geirrt. Bereits in der nächsten Nacht erklang ihre Stimme aus dem Brunnen. Sie zählte von eins bis neun, ehe sie einen furchtbaren Schrei ausstieß. Wieder und wieder.
Ihr Geist kehrte fortan jede Nacht zurück, zählte die neun Teller und stieß Klagelaute aus. Mit der Zeit verlor Aoyama deshalb den Verstand, bis er sich selbst das Leben nahm.
Doch auch nach seinem Tod sollte Okiku keine Ruhe finden. Erst, als ein Nachbar, ein neuer Besitzer oder ein Mönch, der beauftragt wurde, den Geist zu bannen, die Zahl Zehn rief, nachdem Okiku die neun erreicht hatte, soll sie gesagt haben: „Endlich.“ Ihr Geist ist seitdem nie zurückgekehrt.
Das ist zumindest eine Variante der Legende, laut anderen Erzählungen, konnte ihr Geist bis heute keine Ruhe finden und zählt noch immer jede Nacht die neun Teller.
Alternative Versionen:
Wie bereits erwähnt, gibt es noch zahlreiche weitere Versionen von Banchō Sarayashiki. In einigen stürzt sich Okiku aus Verzweiflung selbst in den Brunnen, um der Strafe zu entgehen. Manchmal ist ihr darin der Teller sogar selbst heruntergefallen.
In anderen Versionen ist die Frau von Aoyama Tessan die Übeltäterin, da sie befürchtet, ihr Mann könne Gefühle für Okiku haben. Sie zerbricht oder versteckt den Teller und beschuldigt Okiku, woraufhin Aoyama das Dienstmädchen ermordet und in den Brunnen wirft. In diesen Versionen treibt Okiku meist die Frau von Aoyama Tessan in den Wahnsinn.
Es gibt sogar eine Version, in der Okiku tatsächlich die Geliebte von Aoyama ist. In dieser Version zerstört sie den Teller, der Aoyama so wichtig ist, um seine Liebe zu testen. Er verzeiht ihr, jedoch nur, bis er später erfährt, dass sie den Teller mit Absicht zerstört hat, woraufhin er sie aus Wut tötet und in den Brunnen wirft.
Außerdem können andere Kleinigkeiten abweichen. Z. B. kann der Name von Aoyama ein anderer sein oder Okikus Geist streift durch das Haus, statt in dem Brunnen zu bleiben.
Politischer Konflikt:
Es gibt eine Version von Banchō Sarayashiki, die ich hier noch einmal gesondert erwähnen möchte. Sie spielt in der Himeji-Burg in Himeji, Japan. In dieser Version wird Okiku in einen politischen Konflikt verwickelt.
Sie erfährt, dass Aoyama Tessan seinen Regenten Lord Norimoto ermorden und seinen Platz einnehmen möchte. Sie dient daher als Spitzel und erzählt Norimoto (oder einem Vertrauten) von dem Putsch, woraufhin Norimoto lebend aus der Burg entkommt.
Daraufhin erkennt Aoyama, dass es einen Verräter unter seinen Dienstleuten geben muss. Er befiehlt seinem Komplizen Danshiro, den Verräter ausfindig zu machen.
Als Danshiro jedoch herausfindet, dass Okiku, in die er schon lange verliebt ist, die Verräterin ist, sieht er darin eine Chance, sie zur Frau zu bekommen. Von hier an ist die Geschichte sehr ähnlich, nur, dass Okiku von Danshiro erpresst wird statt von Aoyama.
Erst verspricht Danshiro, sie nicht zu verraten, wenn sie ihn zum Mann nimmt. Als sie ablehnt, versteckt er den Teller und gibt ihr die Schuld dafür, um ein weiteres Druckmittel zu haben. Als sie trotzdem weiter ablehnt, tötet er sie und wirft sie in den Brunnen.
Ihr Geist treibt anschließend Danshiro in den Wahnsinn, der daraufhin aus der Burg verbannt wird oder sich das Leben nimmt.
Okikus Fluch:
Auch wenn Okikus Geist in den meisten Versionen von Banchō Sarayashiki vergleichsweise harmlos sein soll – mal abgesehen von ihrem Verhalten gegenüber ihren Mördern, die sie ihn den Wahnsinn treibt –, gibt es andere Erzählungen, in denen Okiku auch unbeteiligten Menschen schaden kann.
So besagen einige Legenden, dass Leute, die Okiku zählen hören, den Verstand verlieren können. Es gibt sogar Versionen, in denen alle, die Okiku bis zur Zahl Neun zählen hören, kurze Zeit später sterben sollen – entweder durch Okikus Hand oder durch eine scheinbar unzusammenhängende Ursache.
Es soll aber auch eine Möglichkeit geben, diesem Fluch zu entkommen. Sobald sie die Zahl Neun sagt, soll man schnell „Zehn!“ rufen. Daraufhin soll Okikus Geist wieder verschwinden.
Ort des Geschehens:
Wie der Name „Banchō Sarayashiki“ bereits sagt, soll die Legende sich angeblich in Banchō, einem Stadtteil des damaligen Edo, also des heutigen Tokio, zugetragen haben.
Es gibt aber auch Versionen, die die Geschichte an einen anderen Ort verlagern, so zum Beispiel die Version mit dem politischen Putsch, die sich in der Himeji-Burg in Himeji zugetragen haben soll. Dort gibt es auch einen Brunnen, in dem Okiku gestorben sein soll. Der Okiku-Brunnen der Himeji-Burg ist heute eine beliebte Touristenattraktion.
Ursprung:
Den genauen Ursprung der Banchō-Sarayashiki-Legende habe ich leider nicht herausfinden können.
Aber die Legende wurde bereits 1741 als Bunraku, einem Puppenspiel, vorgeführt, auch wenn es wahrscheinlich ist, dass es sie bereits deutlich länger gab und sie lediglich als Bunraku adaptiert wurde.
Seitdem wurde sie außerdem viele Male als Kabuki-Stück vorgeführt, was zu ihrer großen Bekanntheit beigetragen haben könnte.
Banchō Sarayashiki in der Popkultur:
Wie bereits erwähnt, gibt es zahlreiche Theaterstücke bzw. Kabukistücke, die die Legende behandeln.
Außerdem wurden einige Filme über die Geistergeschichte gedreht, wie z. B. „Kaidan Banchô sara-yashiki“ (1957).
Und auch in einigen Manga und Anime existieren Anspielungen oder sogar direkte Auftritte von Okiku. So z. B. in „Gegege no Kitarō“ oder „Sadako at the End of the World“ (2019).
Darüber hinaus wird Okiku häufig als die Inspiration für den berühmten Onryō Sadako aus „The Ring“ (sowohl den Filmen als auch den Romanen) genannt.
Was haltet ihr von Banchō Sarayashiki? Kanntet ihr die Geschichte bereits? Was würdet ihr tun, wenn ihr nachts eine gespenstische Stimme zählen hört? Schreibt es in die Kommentare!
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ich kenne die Geschichte zwar, hatte sie aber bereits vergessen. meine Augen strahlten auf als ich den Titel las und errinert wurde! 😀 eine gelungene Geschichte, und es hat mich sehr gefreut die Legende nochmal zu hören/lesen
Das freut mich. Weißt du zufällig, wo du die Geschichte/Legende schon einmal gehört hast? Das würde mich sehr interessieren. 😁
hmm ich müsste nochmal nachschauen. aber ich bin mir langsam ziemlich sicher das es ein Youtube-Video war, möglicherweise über Brunnengeister in general, vielleicht auch spezifisch okiku