Startseite » Myling – Folge nicht seinen Schreien!

Myling Zeichnung von Jeremie Michels. Das Bild zeigt einen Jungen, der in einem dunklen, zugeschneiten Wald am Boden hockt und weint. Auf seinen Haaren und seiner Kleidung ist eine dünne Schneeschicht.
Myling (2024)

Myling – Folge nicht seinen Schreien!

Meine Geschichte über den Myling spielt an einem Ort, der euch bereits von einer anderen Geschichte bekannt sein dürfte. Es war zwar nicht geplant, hatte aber zu gut gepasst, damit ich es nicht dort spielen lasse. Und wer weiß, vielleicht erwarten euch ja noch weitere Geschichten aus diesem kleinen schwedischen Dörfchen.

Viel Spaß beim Gruseln!

Triggerwarnungen

– Tod eines Kindes
– Trauer

Die Geschichte:

Schnee knirschte unter meinen Füßen, während ich von Kalle, meinem treuen braunen Labrador, an seiner Leine durch den Wald gezogen wurde. Es war bereits März. Trotzdem lagen die Temperaturen hier in Schweden häufig noch unter 0 °C.

Ich spürte die Kälte jedoch kaum. Wie so oft, wenn ich mit Kalle allein Gassi ging, wanderten meine Gedanken zu meiner Tochter Maja. Ich hatte sie letzten Monat bei einem Autounfall verloren. Den Fahrer traf keine Schuld. Er war ins Schlittern gekommen und hatte die Kontrolle über sein Auto verloren. Aber natürlich änderte das nichts an der Leere, die ich seit jenem Tag spürte.

Wäre Thorbjörn, ein alter Schulfreund, den ich letztes Silvester zufällig wiedergetroffen hatte, nicht gewesen, weiß ich nicht, wie ich nach dem Unfall hätte weiterleben sollen. Es war Glück im Unglück, dass er an dem Tag, als Maja starb, bei mir gewesen war, sodass er mich wenigstens etwas hatte auffangen können. Aber auch er konnte das Loch in meinem Herzen nicht füllen, dass der Tod meiner Tochter hineingerissen hatte.

Ein plötzliches Knurren vor mir riss mich aus meinen Gedanken. Kalle stand am Wegesrand und bellte ins Unterholz.

Schnell wischte ich die Tränen aus meinen Augen und ging zu ihm. „Was ist? Was hast du gesehen, mein Junge?“, fragte ich, während ich selbst in den dunklen Wald spähte. Ich konnte nichts Auffälliges entdecken.

Wahrscheinlich war es bloß ein Reh oder ein Hase. Andererseits verirrten sich manchmal Wölfe und Bären in diese Gegend. Ich selbst war zwar noch nie einem von ihnen begegnet, entschied aber, es nicht darauf ankommen zu lassen.

Als ich Kalle jedoch zaghaft an seiner Leine weiterziehen wollte, stemmte er sich mit seinem gesamten Gewicht dagegen. Auch das war noch nie vorher vorgekommen. War es also wirklich ein potenziell gefährliches Tier?

Panisch ging ich im Kopf alles durch, was ich über Begegnungen mit Wölfen und Bären erinnerte: Das Wichtigste war, dass ich mich groß machte, Lärm machen sollte und auf keinen Fall weglaufen oder mich umdrehen durfte.

Also stand ich da, neben meinem bellenden Hund, hob die Arme über den Kopf und rief in den Wald hinein. „Hej Bär, hej Wölfe. Falls ihr da draußen seid, haut ab. Wir wollen euch nichts Böses!“ Vorsichtshalber zog ich sogar die Handschuhe aus und klatschte einige Male in die Hände, ehe ich sie wieder über den Kopf hob.

Es rauschte ein sanfter Wind durch die Bäume. Ansonsten hörte ich nichts. Kein Knirschen im Schnee, kein Geraschel oder Knacken im Unterholz. Nichts, das auf ein wildes Tier hindeutete.

Plötzlich ertönte eine leise Stimme. „Hallo?“ Es klang wie ein Kind, das den Tränen nahe war. „Mama?“

Maja!‘, schoss es mir sofort in den Kopf. Aber natürlich war sie es nicht. Meine Tochter war tot. Außerdem war das eindeutig eine Jungenstimme.

„Wer ist da?“, rief ich in den Wald hinein. Ich ließ die Hände sinken und zog meine Handschuhe wieder an. „Hast du dich verirrt?“

Das Kind antwortete nicht. Stattdessen ertönte ein leises Schluchzen.

„Hee, alles wird gut“, erwiderte ich, während ich einige vorsichtige Schritte ins Unterholz tat.

Kalle hielt sich eng an mich, während er mir mit eingeklemmtem Schwanz folgte. Wenigstens bellte er nicht mehr.

„Mein Name ist Jonna“, fuhr ich fort. Mit Glück kannte ich den Jungen aus Majas Schule. Oder von früher aus ihrem Kindergarten. „Kommst du aus dem Dorf?“

Aber das Kind antwortete mir nicht mehr. Durch sein lautes Geschluchze hatte ich es trotzdem schnell ausfindig gemacht.

„Um Himmels willen!“, stieß ich aus.

Ein kleiner blonder Junge hockte vor mir im Schnee. Er trug dünne, abgenutzte Kleidung, hatte bleiche, dreckverschmierte Haut und sah abgemagert aus. Wenn es dafür nicht viel zu kalt gewesen wäre, hätte ich fast gedacht, dass er bereits einige Tage durch den Wald geirrt sein muss.

„Was ist passiert? Wo sind deine Eltern?“, fragte ich besorgt.

Sein kleiner Körper zitterte zwar nicht, aber ich war mir trotzdem sicher, dass er völlig durchgefroren sein musste. Also machte ich mich daran, meine Daunenjacke auszuziehen, während ich auf ihn zuging.

Kalle blieb hingegen in einigem Abstand stehen. Er kauerte sich zusammen und knurrte das Kind an.

Erschrocken drehte ich mich zu ihm um. „Kalle! Aus! Du machst dem Jungen noch Angst!“, schimpfte ich, nichtahnend, dass er mich bloß beschützen wollte.

Dann ging alles sehr schnell: In dem kurzen Moment, in dem ich ihm den Rücken zugedreht hatte, schrie der Junge plötzlich auf und stürzte sich auf mich. Er sprang auf meinen Rücken und klammerte sich an mich, indem er fest die Arme um mich legte.

„Was? He … Du tust mir weh!“, schrie ich, während ich panisch versuchte, seine Arme von meinem Hals zu entfernen.

Das Kind war ungewöhnlich stark. Besonders für seinen Zustand. Trotzdem tat ich mein Möglichstes, ihn so sanft ich konnte von meinem Rücken zu entfernen – ohne Erfolg.

Kalle war dabei die ganze Zeit am Bellen. Trotzdem versuchte er nicht, das Kind anzugreifen, fast als hätte er Angst vor ihm. Und so langsam verstand ich, warum: Was auch immer dieses Ding auf meinem Rücken war, es war kein normaler Junge. Wie sonst konnte man erklären, dass ich, eine erwachsene Frau, seine Arme nicht einen Zentimeter bewegen konnte, egal wie sehr ich daran zerrte.

„Bring mich zu einem Friedhof!“, zischte der Junge mir zu.

Das brachte mich zum Innehalten. „W-was?“, fragte ich irritiert. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte.

„Begrab mich in geweihtem Boden, damit ich endlich Frieden finden kann!“

Für einen Moment hatte ich das Gefühl, als würde mein Gehirn aufhören zu funktionieren. Es ergab für mich keinen Sinn.

War das alles vielleicht nur ein kranker Scherz? Aber wie könnte ein Scherz meinen Hund dazu bringen, den Jungen zu fürchten? Außerdem konnte kein Scherz der Welt einem Kind solche Muskelkraft verleihen, dass ich seine Arme nicht ansatzweise bewegen konnte. Nicht einmal mit all dem Adrenalin, das gerade durch meinen Körper schoss.

Aber wenn das hier kein Scherz war, meinte der Junge die Aufforderung ernst. Er wollte lebendig begraben werden. Oder war er vielleicht gar nicht lebendig?

Das seltsame Kind begann, an mir zu rütteln, wie ein ganz normaler Junge bei einem Wutanfall. „Bring mich zum Friedhof!“, schrie er, als wolle er zum nächsten McDonalds gefahren werden. „Bring mich zum Friedhof! Bring mich zum Friedhof!“

Das befreite mich endlich aus meiner Starre. „Okay! Okay“, erwiderte ich, während ich mich in Bewegung setzte. Kalle folgte mir in einigem Abstand.

Ich hatte zwar keine Ahnung, was hier vor sich ging, aber wenn sich ein anscheinend übermenschlich starkes Wesen an meinen Rücken klammerte, das mir wahrscheinlich mit Leichtigkeit den Kopf abreißen konnte, wollte ich es bestimmt nicht wütend machen.

Auf dem Weg versuchte ich weiter, meine Gedanken zu sortieren. Es gelang mir nicht wirklich.

Stattdessen fiel mir bald auf, dass meine Beine schwächer wurden. Zuerst dachte ich, es wäre bloß der Adrenalinschub, der allmählich nachließ, aber je näher ich meinem Auto kam, desto schwerer lastete der Junge auf meinen Schultern.

Auch merkte ich, wie mein Atem vor Anstrengung immer schwerfälliger wurde. Eine Art Müdigkeit machte sich in mir breit.

Zu Anfang versuchte ich noch, mich mit der Natur um mich herum abzulenken. Aber obwohl es mir sonst nie sonderlich schwerfiel, die Schönheit der Natur wahrzunehmen, wirkte sie jetzt fast schon erdrückend. Die Bäume ragten hoch über mich hinaus, als würden sie auf mich herabblicken. Die Dunkelheit zwischen den Bäumen kam mir vor, als würde sie mich beobachten. Ein Gefühl der Enge machte sich in meinem Brustkorb breit. So ähnlich hatte ich mich auch gefühlt, als ich Maja verloren hatte. Als würde mir der Boden unter den Füßen weggerissen werden.

Ich strauchelte. Erst jetzt fiel mir auf, dass es nicht die Natur war, die mich fast erdrückte, sondern das Gewicht auf meinem Rücken. Der Junge war inzwischen so schwer geworden, dass ich Probleme hatte, geradeaus zu gehen. Mühsam setzte ich einen Fuß vor den anderen, bis ich endlich den Parkplatz erreichte. Selbst das Herauskramen meines Autoschlüssels aus der Jackentasche kam mir wie eine nahezu unschaffbare Aufgabe vor.

Nach einigen Anläufen hatte ich es endlich geschafft. Ich öffnete die Autotür und ließ Kalle auf den Rücksitz springen, ehe ich mich selbst auf den Fahrersitz fallenließ.

Das wiederum schien dem Jungen zu missfallen. „Keine Pause machen! Steh auf und bring mich zum Friedhof!“, schrie er mich an.

„Ich …“, presste ich hervor. Erschrocken stellte ich fest, dass mir selbst das Sprechen inzwischen schwerfiel. „Ich mach keine Pause. Wir fahren das letzte Stück. Geht … schneller …“

Der Junge antwortete nicht, aber ich merkte genau, wie er hibbelig wurde, spürte seinen misstrauischen Blick in meinem Nacken. Wusste er nicht, was ein Auto war?

Sobald ich den Motor gestartet hatte und wir uns in Bewegung setzten, entspannte er sich schnell wieder.

Trotzdem merkte ich, wie ich weiter schwächer wurde. Ich hatte gehofft, dass das Sitzen helfen würde, ich hier wieder zu Kräften kommen könnte. Stattdessen verschwamm meine Sicht allmählich. Kalles Gebell auf dem Rücksitz klang ungewöhnlich weit weg. Ich hatte Probleme, die Spur zu halten, musste mich mehr und mehr auf die Straße konzentrieren, geriet immer wieder auf die Gegenfahrbahn. Zum Glück war ich um diese Uhrzeit allein auf der Straße.

Dann endlich kamen die Lichter meines Heimatdorfes in Sicht. Die Fahrt war nicht sonderlich lang, immerhin ging ich mit Kalle immer nur knapp außerhalb der Gemeinde spazieren, wenn wir eine größere Runde planten. Und so hatte ich die Straße, in der die Kirche und der Friedhof lagen, bald erreicht.

Dort angekommen betätigte ich wieder und wieder die Hupe. Das schien den Jungen, der sich noch immer fest an mich klammerte, zu verwirren. Ich merkte, wie er sich ruckartig umsah. Aber entweder wusste er nicht, dass ich den Lärm machte, oder er hinterfragte es nicht weiter.

Endlich hielt ich an. Ich fuhr jedoch nicht bis zur Kirche oder dem Friedhof ein Grundstück weiter. Ich wusste genau, dass ich es in meinem Zustand niemals schaffen würde, den Jungen zu begraben. Stattdessen hielt ich meinen Wagen bei dem Haus davor. Es gehörte Einar, unserem Pfarrer.

Dort angekommen betätigte ich noch einige Male die Hupe, ehe ich schließlich die Fahrertür aufstieß. Ich versuchte, auszusteigen, aber meinen Beinen fehlte die Kraft. Stattdessen landete ich mit meinen Handflächen auf dem kalten Bürgersteig, schaffte es nur mühsam, meine Beine aus dem Auto zu ziehen, während die Welt um mich mehr und mehr verschwamm.

Das Letzte, was ich sah, war, wie sich die Haustür des Pfarrers öffnete.

„Wer ist da? Um Gottes willen, Jonna!“, hörte ich Einar meinen Namen rufen. Seine Stimme klang weit entfernt. Trotzdem konnte ich noch hören, wie er zu uns rannte. „Lass sie los, Myling!“, schrie Einar. „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes taufe ich dich auf den Namen Jon!“

Mehr bekam ich nicht mehr mit. Im nächsten Moment verlor ich das Bewusstsein.

Als ich wieder zu mir kam, lag ich, zugedeckt mit einer Wolldecke, auf einem Sofa. Von dem Jungen fehlte jede Spur. Dafür lag Kalle dicht an mich gekuschelt bei mir. Sobald er merkte, dass ich wach war, bellte er freudig, wedelte mit dem Schwanz und schlabberte mir durchs Gesicht.

„He! Ist ja gut. Ist ja gut mein Junge, ich bin wach“, sagte ich, während ich mich halbherzig gegen seinen Angriff wehrte.

Im nächsten Moment ging eine Tür auf. Einar kam mit besorgter Miene auf mich zu. „Jonna. Gott sei Dank, du bist wach. Wie geht’s dir?“

„Um ehrlich zu sein, ziemlich beschissen“, gestand ich. „Was ist passiert?“

Der Pfarrer zögerte. „Ich … Ich weiß nicht, wie sehr du dich mit den alten schwedischen Sagen auskennst“, begann er. „Aber dieses Wesen, das du auf dem Rücken hattest, nennt man einen Myling.“ Er musterte mich einen Moment, als wolle er abschätzen, ob ich ihm glaubte.

„Ein Myling?“, wiederholte ich. Vor wenigen Stunden noch hätte ich unseren Pfarrer für solch eine Aussage wahrscheinlich als verrückt bezeichnet, aber nach dem, was mir widerfahren war, war mir jede Erklärung recht, die mir eine Antwort lieferte.

„Ein Myling ist ein Wiedergänger. Ein Untoter. Den Legenden nach entstehen sie, wenn ein ungetauftes Kind getötet oder im Wald ausgesetzt wird. Sie können nur ihren Frieden finden, wenn sie in heiligem Boden begraben werden oder wenn sie …“

„… wenn sie getauft werden“, beendete ich seinen Satz.

Einar nickte.

Deswegen hatte er den Jungen also Jon getauft. Er hatte mir damit das Leben gerettet.

Der Pfarrer legte mir eine Hand auf den Arm. „Es tut mir leid, dass das ausgerechnet dir widerfahren ist, Jonna. Nach allem, was du durchgemacht hast.“

Ich lächelte schief.

„Du kannst jedenfalls hierbleiben, solange du willst“, bot er mir an. „Nur die Nacht oder bis du dich besser fühlst.“ Dann lächelte er noch einmal, ehe er seine Hand von meinem Arm löste. Nach einem kurzen Zögern drehte er sich schließlich um und wollte gehen.

„Warte“, hielt ich ihn auf. „Du siehst aus, als wenn du noch etwas sagen wolltest.“

Einar seufzte schwer. „Es ist nur … Ich hatte schon damit gerechnet, dass so etwas passiert. Zu Weihnachten hatte irgendein Verrückter den Årsgång durchgeführt. Das ist ein unchristliches Ritual, mit dem man angeblich die Zukunft voraussehen kann. Ich hatte bereits befürchtet, dass dadurch übernatürliche Wesen auf unser Dorf aufmerksam geworden sind. Wir können nur hoffen, dass dem Myling keine Weiteren folgen.“

Bleibt auf dem neusten Stand und folgt mir auf:

Twitter  Instagram  Facebook  Patreon  Newsletter

Die Legende:

Ein Myling, auch Myrding (Schwedisch für „Ermordetes“), ist ein Wiedergänger des skandinavischen Volksglaubens. In Norwegen wird das Wesen Utburd genannt, in Island Útburður und bei den Samen u. a. Ihtiriekko.

Entstehung:

Der Legende nach entsteht ein Myling, wenn ein Kind, oft ein Neugeborenes, ungetauft stirbt – meist, weil es von den Eltern ermordet oder im Wald ausgesetzt wurde     – und anschließend nicht ordnungsgemäß bestattet wird.

Das ist besonders früher oft vorgekommen, als Abtreibung noch verboten und uneheliche Kinder als Schande angesehen oder sogar kirchlich bestraft wurden.

Ein anderer häufig genannter Grund ist, dass die Eltern keine finanziellen Mittel besaßen, um das Kind zu ernähren, und keinen anderen Ausweg sahen.

Seltener sind Mylingar die Wiedergänger von Totgeburten, die nicht ordnungsgemäß bestattet wurden.

Im Svenska Akademiens Ordbok (Schwedisch für „Wörterbuch der Schwedischen Akademie“) ist außerdem aufgeführt, dass ein Myling auch der Wiedergänger eines ermordeten Erwachsenen sein kann, der nicht ordnungsgemäß bestattet und dessen Mörder nicht bestraft wurde. Hierzu habe ich jedoch keine historischen Belege gefunden.

Aussehen:

Obwohl Mylingar im Normalfall Wiedergänger von Neugeborenen sind, nehmen sie das Aussehen von sechs- bis 12-jährigen Kindern an. Sie haben blasse Haut und sind oft abgemagert und verdreckt.

Eigenschaften:

Als Wiedergänger, also Untote, halten sich Mylingar für gewöhnlich in der Nähe des Ortes auf, an dem sie begraben oder ihre Leiche versteckt wurde. Dort soll man nachts außerdem oft das Geschrei eines Kindes oder Babys hören.

Sollte sich jemand auf die Suche nach dem Ursprung des Geschreis machen oder zufällig dem Myling begegnen, so springt der Myling den meisten Geschichten nach auf den Rücken der Person und klammert sich dort fest. Anschließend verlangt er, zu einem Friedhof oder geweihtem Boden gebracht und dort begraben zu werden.

Da man sie nicht abschütteln kann, folgen die meisten Betroffenen der Bitte. Auf dem Weg zum Friedhof bzw. geweihtem Boden wird der Myling jedoch immer schwerer und schwerer. Sollte man es nicht rechtzeitig schaffen, den Ort zu erreichen, können sie angeblich so schwer werden, dass die Füße des Menschen im Boden versinken oder er unter der Last zusammenbricht, woraufhin der Myling wütend wird und den Menschen ermordet und sich auf die Suche nach seinem nächsten Opfer macht.

In anderen Versionen entzieht ein Myling einem die Lebensenergie, während man ihn trägt. Irgendwann ist man schließlich so schwach, dass man zusammenbricht und stirbt. Diese Version würde auch zu anderen Wiedergängerlegenden passen, da die Berührung eines Wiedergängers den Menschen im Normalfall das Leben entzieht. So kann man daraufhin beispielsweise todkrank werden, die berührte Stelle kann abfallen, verbrennen oder verfaulen oder der Mensch kann sterben.

Sollte man es hingegen schaffen, den geweihten Boden zu erreichen, lässt der Myling von einem ab, woraufhin man ihn begraben und somit seine Seele befreien kann.

In anderen Legenden verlangt der Myling einen Namen und es reicht aus, ihm einen zu geben, oder der Myling muss sich an seiner Mutter rächen, um Frieden zu finden.

Lebensraum/Vorkommen:

Mylingar wurden hauptsächlich in Skandinavien gesichtet. Dort können sie überall auftauchen, wo ein ungetauftes Kind gestorben ist bzw. sein Leichnam versteckt oder begraben wurde.

In den meisten Geschichten kommen sie in Wäldern oder auf dem Grundstück der Eltern vor.

Ursprung:

Der Glaube an Mylingar geht wahrscheinlich auf den früher oft begangenen Kindsmord zurück. Die häufigsten Gründe hierfür waren, wie bereits erwähnt, dass die Eltern keine finanziellen Möglichkeiten hatten, das Kind zu ernähren, oder das Kind unehelich war und die Eltern somit von der Kirche bestraft und gesellschaftlich missachtet worden wären.

Außerdem war die Aufklärung früher nicht so weit wie heute, Verhütungsmittel waren deutlich weniger verbreitet und Abtreibungen waren verboten. Ungewünschte Kinder kamen also sehr viel häufiger vor.

Wie alt der Glaube an die Mylingar ist, habe ich hingegen nicht herausfinden können. Im Svenska Akademiens Ordboka ist eine Quelle aus dem frühen 17. Jahrhundert aufgelistet, die Legende kann aber natürlich noch deutlich älter sein.

Was haltet ihr von den Myling? Hat euch meine Geschichte gefallen? Wie würdet ihr reagieren, wenn ihr nachts Kinderschreie aus dem Wald hört? Schreibt es in die Kommentare!

Du willst keinen neuen Beitrag mehr verpassen? Dann unterstütze mich auf Patreon, abonniere meinen Newsletter oder folge mir auf X, Facebook oder Instagram!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert