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Luna und die Vergeltung der Geister – Kapitel 5:

Willkommen zum vorletzten Kapitel der Leseprobe von „Luna und die Vergeltung der Geister“.

Viel Spaß beim Lesen!

Kapitel 5:

Tränen verschleierten meine Sicht, während ich Natalie nachsah. Am liebsten wäre ich ihr hinterhergelaufen, hätte versucht, ihr alles zu erklären, aber tief in meinem Inneren wusste ich, dass es sinnlos war. Sie hatte ihren Standpunkt klargemacht: Sie glaubte nicht an Geister und sie würde auch nicht ohne weiteres damit anfangen.

Ich schluckte schwer. Warum musste das ausgerechnet mir passieren? Wieso konnte nicht jemand anderes die Geister sehen? Es hatte nicht einmal eine Woche gedauert, bis ich meinen festen Freund und jetzt auch noch meine beste Freundin verloren hatte. Und bei Jenny und Lisa brauchte ich mich wohl auch nicht mehr blicken zu lassen. Ich war wieder eine Außenseiterin, genau wie früher.

Mit einem Kloß im Hals wandte ich mich wieder Zoe zu. Ich versuchte, normal zu sprechen, merkte jedoch, wie meine Stimme bereits beim ersten Wort zitterte. „Du sagtest, du brauchst meine Hilfe?“

Zoe antwortete nicht. Mit leerem Blick starrte sie mich an. Oder sah sie durch mich hindurch? Plötzlich begann sie zu flackern. Sie erinnerte mich an eine kaputte Glühbirne, wie sie verblasste, wieder sichtbarer wurde, für den Bruchteil einer Sekunde ganz verschwand, nur um dann wieder aufzutauchen.

„Ich … wollte das nicht“, sprach sie mehr zu sich selbst als zu mir. Ihre Stimme wurde dabei von einem Hall begleitet, als würden zwei verschiedene Zoes aus ihrem Mund sprechen. „Wollte niemandem schaden … Es ist meine Schuld. Alles meine Schuld!“

Sie stieß einen markerschütternden Schrei aus. Durch den Hall klang er völlig unmenschlich, trieb mir eine Gänsehaut über den Rücken. Gleichzeitig verzerrte sich Zoes Gesicht zu einer grausamen Fratze. Es sah aus, als wäre es verschmiert worden, als hätte man mit einem feuchten Finger über eine Bleistiftzeichnung gewischt. Im nächsten Augenblick war sie verschwunden.

Ich stand schwer atmend da, starrte die Stelle an, an der Zoe eben noch gestanden hatte. Erst jetzt merkte ich, wie sehr mein Herz raste. Was zur Hölle war da gerade passiert?

Ich weiß noch, wie mir plötzlich speiübel wurde. Wahrscheinlich war Zoes Anfall der Tropfen gewesen, der mein Fass zum Überlaufen brachte. Im nächsten klaren Moment kniete ich auf dem kalten Betonpflasterstein vor dem Stadtpark und weinte. Ich hatte alles verloren, das mir wichtig war.

„Luna?“, hörte ich Noah meinen Namen rufen. Er kam sofort angerannt, als er mich sah. „Was ist passiert? Bist du verletzt?“

Ich versuchte zu sprechen, ihm von Zoe zu erzählen, aber ich bekam kein einziges verständliches Wort über die Lippen. Also schüttelte ich den Kopf, bevor ich mein Gesicht in meinen Knien vergrub.

Bald spürte ich, wie Noah mir sanft über den Rücken streichelte. Trotz allem überraschte mich seine Fürsorglichkeit. So hatte ich ihn gar nicht eingeschätzt. Obwohl er mich kaum kannte, nahm er sich Zeit, mich zu beruhigen, ohne dabei in irgendeiner Weise genervt zu wirken.

Nach einer Weile hatte ich mich so weit gefasst, dass ich wieder Sprechen konnte. Ich wischte mir mit meinem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. „’tschuldigung, dass du das sehen musstest“, sagte ich.

Noah musterte mich besorgt. „Das macht doch nichts. Was ist denn passiert?“ Er zog eine Packung Taschentücher aus seiner Hosentasche und reicht mir eins, das ich dankend annahm.

Nachdem ich mir die Nase geputzt hatte, wischte ich mir noch einmal mit den Handrücken über das Gesicht, ehe ich aufstand. Ich musste völlig verheult aussehen. „Zoe war hier“, sagte ich mit brüchiger Stimme. Ich bemühte mich, möglichst deutlich zu sprechen, während ich ihm von meinem Streit mit Natalie erzählte und ihm erklärte, was mit Zoe passiert war.

Noahs Augen weiteten sich. Wusste er mehr darüber?

„Hast du eine Ahnung, worum Zoe mich bitten wollte?“, fragte ich. Ich sah noch immer ihr verzerrtes Gesicht vor mir. War es meine Schuld gewesen? Ich würde jedenfalls alles daransetzen, es wieder geradezurücken.

Doch Noah schüttelte den Kopf. „Tut mir leid. Das wird sie dir sagen müssen. Aber ihr Zustand macht mir Sorgen. Ich habe noch nie mitbekommen, dass ein Geist sich derart verändert hat. Geister, die verschwommen oder verblasst wirken, können wirklich gefährlich werden. Normalerweise mach ich einen großen Bogen um sie. Und das solltest du auch. Sie besitzen kaum noch Menschlichkeit. Außerdem sind sie oft aggressiv.“

Sofort schossen mir Szenarien aus diversen Horrorfilmen in den Kopf. Ich musste schlucken. „Du meinst also, dass Zoe gefährlich ist? Verändert ihr Zustand sie irgendwie?“ Sie hatte ja nicht einmal mehr zusammenhängende Sätze gebildet.

Noah antwortete jedoch nicht. Stattdessen wurde sein Blick glasig. Er blickte mich an, sah dabei jedoch durch mich hindurch an einen Ort, den nur er kannte.

Am liebsten hätte ich gefragt, was in seinem Kopf vorging, aber ich wollte nicht unhöflich sein. Immerhin kannten wir einander kaum. Und ich sollte seine Freundlichkeit nicht mit Freundschaft verwechseln.

Stattdessen räusperte ich mich verlegen. Sein Schweigen wurde mir langsam unangenehm. „Meinst du, dass wir Zoe suchen sollten?“

Fast sofort sah Noah wieder völlig gleichgültig aus. Er zuckte mit den Schultern, als sei es ihm egal. „Sie treibt sich eh meist auf dem Campus rum. Wenn irgendetwas passiert, bekommen wir es schon mit“, sagte er trocken.

Das konnte nicht sein Ernst sein. „Und wenn sie jemanden angreift?“, fragte ich. Hatte er nicht eben noch angedeutet, dass sie vielleicht gefährlich sei?

Aber Noah wich meiner Frage aus. „Ach, sie kommt bestimmt bald zu dir, um sich zu entschuldigen. So ist sie nun einmal“, meinte er.

Das machte es nicht besser. „Und dann?“, fragte ich. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit ihr umgehen sollte. Wie ich mit irgendeinem Geistern umgehen sollte.

Wieder zuckte er mit den Schultern. „Erklär ihr einfach, dass alles in Ordnung ist.“ Dann beeilte er sich, das Thema zu wechseln. „Aber sag mal, deine Mitbewohnerin wirft dich raus? Kann sie das wirklich machen?“

Ich verzog den Mund. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. „Die Wohnung gehört ihren Eltern“, erklärte ich. „Sie hat mir freundlicherweise erlaubt, bei ihr zu wohnen. Bis eben jedenfalls. Es gibt keinen Mietvertrag.“

„Also kann sie dich rausschmeißen. Hast du irgendwen, bei dem du unterkommen kannst?“

Ich stieß ein verzweifeltes Lachen aus. „Bei wem denn? Meine Freunde halten mich für einen Psycho, meine Eltern wohnen zu weit weg und mein Ex-Freund kann mich mal.“ Ich merkte, wie der Kloß in meinem Hals zurückkam. „Vielleicht kann ich ein paar Tage bei Jenny und Lisa unterkommen. Aber sofern du nicht rein zufällig nach einer neuen Mitbewohnerin suchst …“ Ich beendete den Satz nicht. Stattdessen schenkte ich Noah ein schiefes Lächeln, während ich meine Tränen unterdrückte.

Noah musterte mich einen langen Moment. Dann sah er die Straße entlang, als beobachte er irgendetwas in der Ferne, während ein kühler Wind um unsere Ohren säuselte. Schließlich sah er wieder zu mir. „Wieso eigentlich nicht?“, fragte er.

Ungläubig starrte ich ihn an. Als ich merkte, dass mein Mund offenstand, schloss ich ihn schnell. „Meinst du das ernst?“

„Klar. Warum nicht? So kann ich wenigstens ein Auge auf dich haben, ehe du noch mehr Geister aufhetzt. Außerdem ist das Haus eh zu groß für eine Person.“

Jetzt entglitten mir alle Gesichtszüge. „Haus?“, fragte ich entgeistert. Ich hatte das mit der WG ja nicht einmal ernst gemeint, aber dass er dann auch noch ganz allein in einem Haus wohnte … Er und seine Eltern schienen jedenfalls keine finanziellen Schwierigkeiten zu haben.

„Das Gästezimmer ist noch frei. Ich müsste vielleicht einmal durchsaugen, aber an sich könntest du direkt einziehen“, fuhr er fort. „Wie lange brauchst du zum Packen?“

Die ganze Situation kam mir so verdammt unwirklich vor. Passierte das gerade wirklich? „Die meisten Möbel gehören Natalie oder ihren Eltern. Wenn ich mich beeil, kann ich heute Abend durch sein. Aber ich hab kein Auto“, hörte ich mich sagen.

„Das ist kein Problem. Wenn du willst, hol ich die Sachen bei dir ab. Heute Abend also?“

In meinem Kopf drehte sich alles, während ich nach Hause fuhr. Wir hatten vereinbart, dass Noah die Sachen gegen 18 Uhr abholen solle und ich anschließend mit dem Fahrrad zu seinem Haus fahre. Ich hatte jedoch keine Ahnung, was ich Natalie erzählen sollte.

Zum Glück war sie nicht da, als ich ankam. Also kramte ich die Umzugskartons hervor, die ich erst im Sommer für den Umzug in Natalies Wohnung gebraucht hatte. Als ich auf einem von ihnen die Aufschrift ‚Lunas Zimmer‘ las, hielt ich einen Moment inne.

Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, während ich darüber nachdachte, wie nervös Natalie und ich gewesen waren, als wir bei unseren Eltern ausgezogen waren. Wir hatten solche Panik gehabt, doch bereits unsere erste Nacht in der neuen Wohnung hatte sich angefühlt, als würden wir eine großartige Übernachtungsparty feiern, die niemals enden solle.

Und jetzt? Mein Lächeln erstarb. Jetzt musste ich mich mit den Toten herumschlagen, während die Lebenden sich von mir abwandten. Die schönen Erinnerungen verpufften in einem Anflug von Verzweiflung.

Mit einer Mischung aus Trauer und Wut packte ich die Kartons und stapfte mit ihnen in mein Zimmer. Ich begann sofort, sie einzuräumen. Als ich Finns Blume auf dem Schreibtisch sah, sank meine Stimmung noch weiter. Ich überlegte kurz, sie in den Müll zu pfeffern, aber das fühlte sich nicht richtig an. Immerhin war sie ein Lebewesen. Ich nahm meinen Zeichenblock, das Skizzenbuch, die Stifte und die Geodreiecke vom Schreibtisch. Zum Schluss brachte ich mein aktuelles Projekt für die Uni den Flur, dessen Tonmodelle ich vorsichtig in einem Schuhkarton verstaut hatte. Die Blume hingegen beachtete ich nicht weiter. Sollte Natalie doch entscheiden, was sie mit ihr machen würde.

Einige Zeit später standen vier randvolle Umzugskartons, die fast meinen gesamten Besitz enthielten, feinsäuberlich im Flur gestapelt. Gerade, als ich mir einen fünften Karton geschnappt und mit ihm im Badezimmer verschwunden war, hörte ich, wie die Wohnungstür geöffnet wurde. Für ein paar Sekunden herrschte völlige Stille. Dann ertönten schnelle Schritte.

„Luna!?“ Natalie klang halb verwirrt, halb entsetzt. Ich hörte, wie sie in mein Zimmer rannte, ehe ihr Tonfall ins Wütende umschlug. „Luna? Was zur Hölle soll das werden?“ Jetzt stand sie mit verschränkten Armen in der Badezimmertür.

„Du hast doch gesagt, dass ich ausziehen und mir eine neue beste Freundin suchen soll“, sagte ich trocken. Ich unterdrückte alle Gefühle, die gerade in mir hochkamen.

Natalie starrte mich entsetzt an. Sie brauchte einen Moment, um ihre Sprache wiederzufinden. „Ich meinte damit, dass du dir einen Psychiater suchen musst, nicht, dass du tatsächlich ausziehen sollst!“, sagte sie laut.

„Der könnte mir aber nicht helfen, Natalie!“ Ich sah ihr fest in die Augen. „Er könnte nicht verhindern, dass ich Geister sehen kann!“

Natalies Unterlippe zitterte. Ich sah, dass ihr Tränen in die Augen schossen. Aber was konnte ich tun? Sie wollte mir nicht zuhören, mir nicht glauben. Und ich konnte, nach allem, was ich erfahren hatte, damit nicht zu einem Psychiater gehen.

Plötzlich rannte Natalie in den Flur zurück. „Ich wünschte, wir hätten diese scheiß Idee mit dem Ouija Brett niemals gehabt!“, schrie sie mit weinerlicher Stimme.

„Ich auch!“, rief ich ihr hinterher. Aber ich war mir sicher, dass sie mich nicht mehr gehört hatte. Sie hatte die Haustür bereits hinter sich zugeknallt.

Als ich um kurz vor sechs mit meinen fünf Umzugskartons und dem Uni-Projekt an der Straße stand und auf Noah wartete, überkamen mich erste Zweifel. Sollte ich wirklich mit einem völlig fremden Mann zusammenziehen? Ich kannte Noah doch kaum. Was, wenn er nicht so nett war, wie er tat? Andererseits hatte er nie etwas Verdächtiges getan. Die Nacht auf dem Friedhof, der Umzug, die seltsamen Ideen waren alle von mir ausgegangen.

Auch musste ich an Natalie denken. Sie war meine beste Freundin gewesen. Es gab kaum einen Menschen, der mir so nahegestanden hatte. Und das wollte ich jetzt alles wegwerfen? Vielleicht hätte ich doch zu der Psychiaterin gehen sollen. Ich hätte so tun können, als würde es helfen.

Aber was würde das bewirken? Ich würde eine Lüge leben. Außerdem bezweifelte ich, dass ich mich dann weiterhin mit Noah treffen könnte, obwohl ich noch so viel über Geister lernen musste.

Nein. Es war besser so! Ich friemelte Natalies Wohnungsschlüssel von meinem Schlüsselbund. Doch als ich vor dem Briefkasten stand, zögerte ich erneut. Schönfeld/Nachname* – dort stand mein Nachname, direkt hinter Natalies. Das war unsere Wohnung, unser Zuhause.

*Anmerkung des Autors:

(Jaaa … Ich habe noch keinen Nachnamen für Luna. Falls ihr Ideen habt, immer her damit. Es sollte ein deutscher oder zumindest europäischer Name sein, aber ich habe noch keinen gefunden, der mir gut genug gefällt. Aber wer weiß, vielleicht entscheide ich mich ja für deinen Vorschlag. ^^)

Ich schüttelte den Kopf. Nein. Es war unser Zuhause gewesen, bis Natalie mich rausgeschmissen hat. Jetzt war es nur noch ihr Zuhause! Entschlossen warf ich den Schlüssel unter lautem Geklimper in den Briefkasten.

Und auch, wenn ich damals noch Zweifel hatte, es war die richtige Entscheidung gewesen. Noch konnte ich ja nicht ahnen, wie sehr Noah und ich einander brauchen würden.

Zurück an der Straße hörte ich recht bald ein Motorengeräusch, das schnell lauter wurde. Es war Noah, der sich in einem kleinen schwarzen Pkw näherte. Ich hatte damit gerechnet, dass es ein teureres Auto sei, wenn er schon ein eigenes Haus hatte, aber es war eines dieser Billigautos, wie es viele Schüler und Studenten fuhren.

Er stieg sofort aus, um mir beim Einladen zu helfen. Gemeinsam verstauten wir die Kartons im Kofferraum und auf den freien Sitzen. Den Schuhkarton mit meinem Modell legte ich jedoch erst in den Beifahrer-Fußraum, nachdem Noah mir hoch und heilig versprochen hatte, dass es heil ankommen würde. Es passte alles gerade so in das kleine Auto.

Anschließend gab Noah mir eine Wegbeschreibung. Ich hatte Glück: Obwohl ich noch nicht lange in Kleinstadt wohnte, wusste ich sofort, welche Straße er meinte. Sein Haus lag am Stadtrand, gut 20 Minuten von der Uni entfernt.

Noahs Haus war ein kleines gemütliches Einfamilienhaus aus Klinkerstein, an dessen Fassade einige Schlingpflanzen empor wucherten. Ansonsten wirkte der Garten mehr oder weniger gepflegt.

Noah hatte sein Auto bereits auf der kleinen gepflasterten Auffahrt geparkt und war dabei, meine Umzugskartons ins Haus zu bringen. Also beeilte ich mich, mein Fahrrad neben der Tür anzuschließen und ihm zur Hilfe zu eilen.

Im Haus selbst trat ich direkt in einen kleinen Flur, von dem aus eine Treppe in den Keller und eine andere nach oben führte. Weiter hinten gingen einige Türen ab.

„Du kannst das Gästezimmer haben“, erklärte Noah, deutete auf eine der Türen und verließ das Haus wieder, um den nächsten Karton zu holen.

Ich bleib mit der Kiste in der Hand in meinem neuen Zimmer stehen. Abgesehen von den Umzugskartons standen hier nur ein hoher Kleiderschrank mit Spiegel, ein nicht bezogenes Einzelbett mit altmodischem Holzrahmen, ein dazu passender Nachttisch und ein kleiner Sessel mit beigem Stoffbezug. Außerdem fiel mir ein Fenster ins Auge, von dem aus ich ein kleines Waldstück sehen konnte. Das war also mein neues Zuhause.

Nachdem wir alles in mein Zimmer gebracht hatten, gab Noah mir einen kurzen Rundgang durchs Haus. Die Treppe nach oben führte auf einen Dachboden, während die nach unten in den Keller mit Wäscheraum und Vorratskammer führte. Außerdem gab es eine kleine Küche mit Esstisch, ein mittelgroßes Wohnzimmer und ein Badezimmer mit Wanne. Zum Schluss zeigte er mir sein eigenes Zimmer.

Es erinnerte mich an das Zimmer eines Jugendlichen mit eigenem Fernseher, einem breiten Einzelbett und einem Computer. Seine Möbel, der Schreibtisch, der Kleiderschrank und sein Nachttisch, waren modern und hoben sich deutlich von dem ansonsten eher altmodisch eingerichteten Haus ab. Wahrscheinlich hatte er die anderen Möbel vom Vorbesitzer übernommen und hatte sein eigenes Mobiliar in seinem Schlafzimmer untergebracht.

Nach dem Rundgang begleitete Noah mich zurück in den Flur. Dort fiel mein Blick auf die Tür neben meinem Zimmer, die Noah bisher komplett ignoriert hatte.

„Was ist das für ein Raum?“, fragte ich neugierig, während ich auf die Tür deutete.

Für den Bruchteil einer Sekunde runzelte Noah die Stirn, ehe er schnell den Kopf schüttelte. „Ignorier sie einfach. Sie ist verschlossen, aber da drin stehen nur ein paar alte Möbel.“

Ich hob überrascht die Augenbrauen. Ehe ich jedoch nachfragen konnte, ob er keinen Schlüssel habe, wechselte er bereits das Thema.

„Also dann … Fang ruhig schonmal an, deine Sachen auszupacken. In der Zeit kümmer ich mich ums Abendessen. Ich hoffe, du magst Nudelauflauf?“ Er wartete jedoch keine Antwort ab und machte sich bereits auf den Weg in die Küche.

Ich blieb für einen Moment im Flur stehen und betrachtete misstrauisch die Tür. Kurz dachte ich darüber nach, durch das Schlüsselloch zu spähen, aber was würde das für einen Eindruck hinterlassen? Noah ließ mich, eine völlig Fremde, in seinem Haus wohnen und als Dank nahm ich nicht einmal Rücksicht auf seine Privatsphäre? Nein. So ein Mensch wollte ich nicht sein!

Das Essen verlief ereignislos. Wir redeten dabei wenig, aber das konnte mir nur recht sein. Mein Kopf war viel zu voll, um über irgendetwas zu sprechen, das über belanglosen Smalltalk hinausging.

Nach dem Essen räumte Noah das Geschirr in eine kleine Spülmaschine und verzog sich ins Wohnzimmer. Ich hingegen war von dem Tag zu geschafft und beschloss, früh ins Bett zu gehen.

Nachdem ich Zähne geputzt und Noah eine gute Nacht gewünscht hatte, schloss ich meine Zimmertür hinter mir. Dabei fiel mein Blick auf den Schlüssel, der im Schloss steckte. Ich zögerte. Eigentlich wollte ich mich nicht einschließen. Ich wollte Noah genug trauen, um mich auch ohne verschlossene Tür sicher zu fühlen. Andererseits kannte ich ihn kaum. Und auch, wenn er einen vernünftigen ersten Eindruck gemacht hatte, was war, wenn ich mich in ihm irrte? Was war, wenn Natalie doch recht hatte? Mit einem Anflug von Gewissensbissen griff ich nach dem Schlüssel und drehte ihn im Schloss.

Anschließend ging ich sofort ins Bett. Der Mond schien durch mein Fenster und erhellte den gesamten Raum. Mit einem Seufzen ließ ich meinen Blick über mein neues Zimmer schweifen. Es war deutlich kleiner als das bei Natalie. Auch fehlte mir ein Schreibtisch, an dem ich zeichnen und für die Uni arbeiten konnte.

Andererseits war das Haus bestimmt angenehmer als die Natalies Wohnung. Hier musste ich mir wenigstens keine Gedanken über nervige Nachbarn machen oder dem Ehepaar zwei Wohnungen über uns bei gewissen Aktivitäten zuhören, denen sie abends nur zu gerne nachgingen. Trotzdem würde ich Natalie schrecklich vermissen.

Als ich merkte, wie mir wieder Tränen in die Augen stiegen, drehte ich mich mit dem Gesicht zur Wand. Ich hatte richtig gehandelt, da war ich mir sicher. Trotzdem tat es weh. Aber Änderungen waren wohl zu erwarten, wenn man anfängt, Geister zu sehen. Jetzt lag es an mir, das Beste aus diesen Änderungen zu machen.

Weiter zu Kapitel 6:


Das war Kapitel 5. Wie immer würde mich wahnsinnig interessieren, wie euch das Kapitel gefallen hat. Kapitel 6 findet ihr bereits jetzt auf Patreon oder ab nächster Woche hier auf dem Blog!

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