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Luna und die Vergeltung der Geister – Kapitel 4:

Und schon sind wir bei Kapitel 4. Die Hälfte der Leseprobe haben wir hinter uns, also möchte ich an dieser Stelle fragen: Wer von euch liest denn noch mit? Wie findet ihr die Geschichte bisher? Meldet euch in den Kommentaren. Es interessiert mich wirklich. ^^

Nun aber viel Spaß beim Weiterlesen!

Kapitel 4:

„Glaubst du mir jetzt?“, fragte Noah noch immer außer Atem.

Ich nickte, während meine Gedanken rasten. Er hatte die ganze Zeit Recht gehabt. Noah hatte die Wahrheit gesagt. Es gibt Geister und ich kann sie sehen.

Zum einen fühlte ich mich erleichtert. Das bedeutete, dass ich nicht verrückt war. Was ich gesehen hatte, war real. Andererseits erfüllte es mich mit Angst. Würde ich je wieder ein normales Leben führen können?

„Das war ziemlich leichtsinnig von dir, weißt du?“, sagte Noah.

Ich sah ihn fragend an.

„Der Mann wusste nicht, dass er tot ist. Also muss er eine ziemlich verzerrte Wahrnehmung haben. Die meisten Geister finden es heraus, wenn sie ihre Leiche sehen oder sie merken, dass andere Menschen sie nicht mehr sehen oder hören können. Er hingegen hat uns völlig normal angesprochen. Und das, obwohl er schon einige Jahrzehnte tot sein muss, wenn wir nach seiner Kleidung gehen.“

Ich verzog das Gesicht. „Tut mir leid. Ich hab wohl noch einiges zu lernen.“

Noah nickte bloß.

Trotzdem war ich ihm dankbar. Ich wusste nicht, wieso er es tat, ob er froh war, jemanden zu treffen, der ebenfalls Geister sehen konnte, oder ob er andere Motive hatte, aber im Moment war er der einzige Mensch, der mir helfen konnte. Sofort wanderten meine Gedanken wieder zu Natalie. Was würde sie sagen, wenn ich mich mit Noah anfreundete – einem Freak, wie sie ihn nannte?

Moment. Natalie! Ich hatte sie völlig vergessen!

Sofort zog ich wieder mein Handy aus der Tasche. Ich schaltete das, wie ich feststellen musste, völlig zersplitterte Display ein und wischte vorsichtig mit dem Finger das Muster, mit dem ich mein Handy entsperren konnte. Es reagierte nicht. Schnell versuchte ich es noch einmal.

„Mist!“, fluchte ich leise.

Noah merkte sofort, dass mein Touchscreen nicht funktionierte, und bot mir an, sein Handy zu benutzen. Allerdings kannte ich Natalies Nummer nicht auswendig. Also bot er mir an, mich nach Hause zu bringen.

Ich war ihm unendlich dankbar. Der Weg war zwar nicht weit, aber ich wollte hier draußen jetzt nicht allein sein.

„Also … sollen wir uns morgen treffen?“, fragte Noah, als wir vor dem Haus standen. „Dann können wir über alles reden. Ich bin sicher, du hast eine Menge Fragen.“

„Gerne“, erwiderte ich sofort. „Beim Stadtpark? Um 10?“

Noah nickte knapp. „Dann bis morgen.“

Er war bereits im Begriff, sich umzudrehen, als ich ihn aufhielt. „Noah, warte!“ Ich lächelte ich ihn an. „Danke.“

Noah musterte mich einen Augenblick. Dann nickte er wieder bloß, ehe er sich auf den Weg machte.

Gerade, als ich den Schlüssel ins Schloss gesteckt hatte, um die Wohnungstür aufzuschließen, riss Natalie sie von innen auf. „Wo warst du?“, fragte sie vorwurfsvoll. „Ich hab mir Sorgen um dich gemacht!“

„Darf ich nicht mehr spazieren gehen?“, fragte ich ausweichend.

Natalie funkelte mich an. „Mitten in der Nacht? Ganz allein? Hast du nicht gehört, was mit dem einen Mädchen in der Nachbarschaft passiert ist?“

„Welches Mädchen?“, fragte ich. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.

„Hier ganz in der Nähe wurde ein Mädchen tot aufgefunden. Ihr wurde das Gesicht zerschnitten!“ Natalie war sichtlich aufgebracht.

Ich starrte sie entsetzt an. Davon hatte ich überhaupt nichts mitbekommen.

„Es war vorhin in den Nachrichten“, erklärte sie jetzt etwas ruhiger. Aber ihre Stimme blieb weiter vorwurfsvoll. „Was denkst du, was ich mir für Sorgen gemacht habe, als du plötzlich aufgelegt hast?“

Ich sah zu Boden, bevor ich ihr wieder in die Augen sah und ihr mein kaputtes Handy hinhielt. „Ich hab nicht aufgelegt. Mein Handy ist mir aus der Hand gerutscht. Außerdem war ich nicht allein. Aber kann ich bitte erst einmal reinkommen?“

Während ich mir die Schuhe auszog, dachte ich fieberhaft darüber nach, was ich Natalie sagen sollte, aber mein Kopf war leer wie ein weißes Blatt Papier. Gemeinsam gingen wir zum Sofa.

„Also?“, drängte Natalie – jetzt mehr neugierig als vorwurfsvoll. „Was meinst du damit? Du warst nicht allein? Wer war denn bei dir? War Finn deshalb nicht auf der Party?“

Die Frage überraschte mich. Für Finn war im Moment wirklich kein Platz in meinem Kopf. Ich schnaubte verächtlich. „Nein. Wenn er sich nicht bei mir entschuldigt, ist der Typ für mich gestorben.“

Natalie wartete einen Moment, ob ich noch etwas ergänzen würde. „Also nicht Finn. Mit wem hast du dich dann getroffen?“, hakte sie nach.

Nervös rückte ich meine Brille zurecht. Da ich jedoch noch immer nicht wusste, was ich sagen sollte, musterte ich schweigend den roten Sofastoff.

Natalies griff nach meinem Knie. „Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst“, ermutigte sie mich. Dann fügte sie zögerlich hinzu: „Oder … war die Person nicht real?“

Mit großen Augen sah ich auf. Erst jetzt merkte ich, wie verrückt ich die letzten Tage geklungen haben musste. „Doch, doch. Er ist real“, sagte ich schnell.

„Er?“ Natalie hob überrascht ihre Augenbrauen. „Ein anderer Er als Finn?“

Wieder wich ich ihrem Blick aus. Ich räusperte mich. „Ich hab mich mit Noah getroffen“, brachte ich es endlich hervor. „Aber nicht so. Also es war kein Date, falls du das denkst.“

Natalie blinzelte einige Male. Sorge lag in ihrem Blick. „Mit Noah? Mit dem Noah?“, fragte sie. „Der Typ ist ein Freak. Ich wusste nicht einmal, dass ihr euch kennt.“

„Tun wir auch nicht. Also nicht wirklich, aber ich hatte meine Gründe.“

„Das müssen aber verdammt gute Gründe gewesen sein. Habt ihr euch wenigstens irgendwo getroffen, wo noch andere Leute waren? Ich hab Gerüchte über ihn gehört …“

Der Mord … klar. Ich rollte mit den Augen. Weil man ja auch alles glauben sollte, was man sich auf einem Campus erzählt. Plötzlich fühlte ich mich an mich selbst erinnert, als ich noch in der Grundschule gewesen war. Damals hatte es auch Gerüchte über mich gegeben …

„Oh. Ich wusste nicht, dass du ihn genauer kennst“ Ich spürte, wie eine lange vergessene Wut in mir aufkochte. „Oder wieso glaubst du jedem Gerücht, das man so aufschnappt? Liegt es daran, dass er Piercings trägt und sich die Haare färbt? Wenn du es genau wissen möchtest: Wir haben uns auf einem Friedhof getroffen. Aber das war allein meine Idee. Und nein, ich hatte keine Angst vor ihm!“ Ehe ich vor Natalie in Tränen ausbrechen oder etwas sagen konnte, das ich später bereuen würde, sprang ich auf und rannte in mein Zimmer.

Natalie versuchte, mir zu folgen, aber ich hatte die Tür abgeschlossen, ehe sie die Klinge runterdrücken konnte. „Luna! Mach sofort die Tür auf!“ Sie hämmerte mit der Faust dagegen.

Aber ich hatte es satt. Ich hatte es satt, dass meine beste Freundin alle nach ihrem Äußeren beurteilte, hatte es satt, dass jeder als Freak abgestempelt wurde, nur weil er oder sie etwas anders war. Ja, ich kannte Noah nicht und vielleicht war er ein Freak. Aber das konnte ich nicht wissen, ohne ihn näher zu kennen. Alles, was ich wusste, war, dass ich ohne ihn wahrscheinlich den Verstand verloren hätte. Ich wäre zu einem Psychologen gegangen, der mir irgendwelche nutzlosen Medikamente verschrieben hätte, von denen die Geister nicht verschwunden wären. Irgendwann wäre ich wahrscheinlich eingewiesen worden.

Noah hingegen hatte uns nie etwas getan, wofür man ihn verachten durfte. Das einzig wirklich Seltsame an ihm war, dass er Geister sehen konnte. Und davon wusste so gut wie niemand.

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Natalie endlich aufgab. Aber ich wusste, dass ich das Gefühlschaos in mir nicht an ihr auslassen wollte. Also legte ich mich ins Bett, zog mir die Decke über den Kopf und stand nicht mehr auf, bis ich endlich eingeschlafen war.

Als ich am nächsten Morgen aus meinem Zimmer schlich, sah ich mich nach Natalie um. Ihre Tür stand offen, aber von ihr fehlte jede Spur. Wahrscheinlich hatte sie bei jemand anderem übernachtet oder war zurück zur Party gegangen und schlief jetzt irgendwo ihren Rausch aus. Doch das konnte mir nur recht sein. So konnte ich mich mit Noah treffen, ohne ihr vorher sagen zu müssen, wo ich hinwollte.

Etwa eine halbe Stunde später saß ich frisch geduscht und mit vollem Magen auf dem Fahrrad. Diesmal war ich vor Noah da. Ich lehnte mein Fahrrad an eine Straßenlaterne und ließ meinen Blick durch den fast leeren Park schweifen, ehe ich mein Handy aus der Tasche zog, um mir die Zeit zu vertreiben. Als ich jedoch das gesplitterte Display sah, steckte ich es mit einem Seufzer wieder weg. Ich würde wohl einige Tage ohne Handy auskommen müssen.

„Hey, bitte erschrick nicht wieder“, ertönte plötzlich eine Stimme neben mir.

Ich wandte mich ihr zu. Es war Zoe. Das war das erste Mal, dass ich sie aus der Nähe sah. Ihre hellbraunen Haare wirkten zerzaust. Sie hatte eine mollige Figur, die ihr wirklich gut stand, und ein hübsches Gesicht mit grünen Augen.

Trotz ihres etwas rebellischen Auftretens mit ihrer zerrissenen Jeans und dem schwarzen, stellenweise abgeblätterten Nagellack sah sie aus wie ein Mensch, mit dem man gerne befreundet wäre. Nur, dass sie kein Mensch war.

Den fehlenden Schatten bemerkte ich jetzt sofort. Wenn man genauer hinsah, konnte man sogar schwach durch sie hindurchsehen. Aus der Ferne hätte ich es aber wahrscheinlich nicht bemerkt.

 „Du bist Zoe, oder?“, fragte ich zögerlich.

Sie lächelte kurz, während sie nickte. Dann sah sie mich eindringlich an. „Tut mir leid, dass ich dich so erschreckt habe.“ Ihre Stimme klang entfernt, als würde sie einige Meter weiter wegstehen. Trotzdem hatte ich keine Probleme, sie zu verstehen. „Ich wollte doch nur wissen, ob du mich wirklich sehen kannst. Bin ich schuld daran, dass dein Freund mit dir Schluss gemacht hat?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ich geb dir nicht die Schuld dafür. Das lag viel eher daran, dass ich Geister sehen kann. Meine Freunde denken alle, dass ich den Verstand verliere.“

Zoe sah mich mit großen Augen an. „Du hast es ihnen erzählt?“ Sie schüttelte traurig den Kopf. „Ich hab Noah damals auch kein Wort geglaubt, als er es mir gestanden hat. Damals waren wir schon über zwei Jahre zusammen. Gib ihnen etwas Zeit.“

Zusammen? Zoe war mit Noah in einer Beziehung gewesen?!

Ich räusperte mich, um meine Überraschung zu überspielen. „Aber du hast ihm nicht gesagt, dass er zu einem Psychologen gehen muss, wenn ihr zusammenbleiben wollt, oder?“

Zoe verzog das Gesicht. „Autsch.“

Als ich merkte, wie sich wieder ein Kloß in meinem Hals bildete, sprach ich schnell weiter. „Und ich doofe Nuss hab mich fast darauf eingelassen. Aber woher hätte ich auch wissen sollen, dass die Menschen, die ich plötzlich sehen kann, schon lange tot sind?“

Zoe musterte mich einen Moment mit gerunzelter Stirn. „Du … du kannst sie nicht schon seit deiner Geburt sehen? Uns Geister, meine ich?“

Ich schüttelte den Kopf. Ich gab ich ihr eine Kurzfassung der letzten Tage: wie es zum ersten Mal bei der Séance passiert war, wie ich dachte, dass ich meinen Verstand verliere und wie schließlich Noah zu mir gekommen und mit mir auf den Friedhof gegangen war. Auch gestand ich ihr, dass ihn ohne ihn völlig verloren gewesen wäre.

Zoe hörte sich alles aufmerksam an. „Wow, das ist ganz schön heftig. Es haben alle gleichzeitig davon erfahren? Noah hat es nie jemandem erzählt. Nicht einmal seiner Familie. Du bist neben mir, glaube ich, der einzige Mensch, der davon weiß.“ Sie sah an sich herab. „Und ich zähle nicht einmal mehr wirklich.“ Ein trauriges Lächeln spielte über ihre Lippen.

„Er hat es nie jemandem erzählt?“, fragte ich. Und dann kam er damit zu mir? Einer völlig Fremden? Das überraschte mich. Um ehrlich zu sein, fühlte ich mich sogar etwas geehrt.

Wieder dieses gequälte Lächeln. Dann guckte Zoe plötzlich sehr ernst. „Aber ich bin aus einem anderen Grund hier“, gestand sie. „Ich brauche deine Hilfe.“ Weiter kam sie nicht.

„Luna?“, ertönte Natalies Stimme neben mir.

Zoe und ich fuhren gleichzeitig herum. Wie lange stand sie schon da?

Natalie sah mich entsetzt an, schien zu überprüfen, ob ich bloß telefonierte, ehe sie sich umsah. Überforderung lag in ihrem Blick. „Mit wem redest du?“

Mein Gesicht wurde heiß. „N-Natalie. Ich kann das erklären. Bitte!“

Ihr Atmen ging schnell und stoßweise. „Vielleicht … vielleicht solltest du wirklich zu einem Psychologen gehen.“

Ich schluckte schwer. Für einen Moment musterte ich meine beste Freundin bloß. Dann fing ich mich wieder. „Nein! Natalie! Hör mir zu! Es sind Geister“, platzte ich heraus.

„Was?“ Natalie entglitten ihre Gesichtszüge.

„Die Menschen, die ich mir eingebildet habe. Es sind in Wirklichkeit Geister! Seit dem Ouija-Vorfall konnte ich …“

Aber Natalie ließ mich nicht ausreden. Sie taumelte ein paar Schritte zurück. „Hörst du dir selbst überhaupt zu?“, fragte sie den Tränen nahe. „Du klingst wie eine Wahnsinnige! Finn hat recht: So kann das nicht weitergehen. Entweder, du suchst dir einen Psychologen oder eine neue Wohnung und eine neue beste Freundin!“

Weiter zu Kapitel 5:


Das war Kapitel 4. Wie immer hoffe ich, dass es euch gefallen hat und möchte darauf hinweisen, dass ihr Kapitel 5 bereits jetzt auf Patreon lesen könnt.

Nun aber zu den Fragen: Wie würdet ihr reagieren, wenn ihr plötzlich Geister sehen könntet? Würdet ihr es geheimhalten? Oder euren Freunden davon erzählen? Und wie hättet ihr an Natalies Stelle reagiert, wenn ihr Luna mit der Luft reden gesehen/gehört hättet? Schreibt es in die Kommentare!

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