Die Legende von Charlie No-Face ist zugegeben nicht die spannendste. Umso interessanter ist jedoch der wahre Kern, der dahinter steckt. Aber ich möchte nicht zu viel vorwegnehmen.
Viel Spaß beim Gruseln!
Triggerwarnungen (Achtung Spoiler!)
– Erwähnunh von Ableismus
– Erwähnung von körperlicher Gewalt und Mobbing
Inhalt
Die Geschichte:
„Meint ihr, dass es ihn wirklich gibt?“, fragte Margery. Sie umklammerte Gregs Arm, während sie langsam neben ihm herschlenderte.
„Klar“, erwiderte Stephen. „Dad hat ihn vor 20 Jahren mal hier gesehen. Außerdem habt ihr Jake doch gehört. Seine Begegnung ist gerade mal eine Woche her.“
„Ach“, sagte Greg abfällig. „Jake ist ein Spinner – sofern er es sich nicht im Rausch eingebildet hat. Dem kannst du nicht glauben. Und euer Dad …“
„… unser Dad wollte sich nur einen Scherz erlauben“, ergänzte Margery ihren Freund. „Du weißt doch, wie er ist, Bruderherz.“
Stephen legte die Stirn in Falten. Dann sah er zu mir. „Was ist mit dir, Jonathan? Glaubst du, dass Charlie No-Face echt ist?“
Ich sah von der Straße auf, die ich beim Gehen angestarrt hatte, rückte meine Brille zurecht und grinste ihn an. „Natürlich. Es gibt so viele Geschichten über ihn. Jake und euer Dad sind nicht die Einzigen, die ihn gesehen haben wollen. Seit Jahrzehnten begegnen ihm die Leute nachts auf diesen Straßen“, erklärte ich.
Für gewöhnlich war ich sehr still. Um ehrlich zu sein, sprach ich nur, wenn ich etwas gefragt wurde, mich etwas störte oder … oder wenn mich etwas besonders interessierte. Und wenn es um Horrorgeschichten ging, war man bei mir genau an der richtigen Adresse.
„Viele Leute sagen, dass Charlie nicht einmal ein Mensch sei, sondern ein Geist oder Monster. Man kennt ihn auch unter den Namen the Green Man oder das Monster von Beaver County.“
Ich blieb stehen, während ich meine Freunde der Reihe nach ansah. Dann hob ich meine Taschenlampe, sodass sie mein Gesicht von unten anstrahlte.
„Man sagt, dass er früher einmal ein normaler Mensch gewesen sei, der in einem Atomkraftwerk hier ganz in der Nähe gearbeitet habe. Eines Tages gab es jedoch einen schrecklichen Unfall, bei dem er völlig verstrahlt wurde. Sein Gesicht soll ihm im wahrsten Sinne des Wortes weggeschmolzen sein. Seine Augen, seine Nase, seine Lippen, alles weg. Der Name No-Face ist dabei jedoch irreführend. Er hat nicht gar kein Gesicht, aber es ist unförmig, uneben. Seine Nase soll ein klaffendes Loch sein.“
Als ich sah, wie Stephen angewidert das Gesicht verzog, musste ich wieder grinsen.
„Also los. Worauf warten wir?“, fragte ich übertrieben fröhlich, richtete die Taschenlampe wieder nach vorne und ging mit einem breiten Grinsen weiter. „Charlie No-Face findet sich nicht von allein.“
Kurz darauf hörte ich leise Schritte hinter mir. Meine Freunde folgten mir.
In Wirklichkeit waren wir natürlich nur hier draußen, weil wir einen Kick suchten. Eine gruselige Nachtwanderung war genau das Richtige dafür. Niemand von uns glaubte, dass wir Charlie No-Face wirklich finden würden. Er war ein Märchen, ein Mythos – eine urbane Legende. Und so gingen wir gut gelaunt die dunkle Straße entlang.
Unter unseren Füßen hallte leise der Asphalt. Besonders Margerys Schuhe konnte man gut hören. Sie hatte wohl härtere Sohlen als wir. Irgendwo in der Ferne schrie eine Eule. Ansonsten waren da nur die Blätter, die im seichten Wind raschelten, und unser leiser Atem.
Nach einigen Minuten des Schweigens war es wieder Margery, die die Stille durchbrach: „Was denkt ihr passiert, wenn Charlie No-Face uns findet? Was macht er mit seinen Opfern?“
Greg und Stephen schwiegen. Ein flüchtiger Blick verriet mir, dass meine Freunde mich erwartungsvoll ansahen. Immerhin war ich der Experte. Aber die Wahrheit ist, ich wusste es nicht. Die Geschichten gingen selten so weit, dass Charlie No-Face seine Opfer erwischte.
„Das weiß niemand so genau“, gab ich ehrlich zu. Ich wollte meine Freunde aber nicht enttäuschen. „Ich denke, dass es niemanden gibt, der danach noch davon berichten konnte …“
Das hob die Stimmung deutlich.
„Bestimmt zerhackt er seine Opfer und vergräbt ihre Einzelteile im Wald!“, warf Stephen mit einem Grinsen ein.
„Oder er nimmt sie mit, um sie bei lebendigem Leibe zu fressen“, sagte Greg und tat so, als wolle er seiner Freundin in den Arm beißen.
„Hee! Lass das!“, erwiderte Margery lachend. Ihr Lachen blieb ihr jedoch im Halse stecken, als es plötzlich in einem Gebüsch neben uns raschelte.
Fast sofort waren die Strahlen unserer Taschenlampen auf die Blätter gerichtet. Erst jetzt bemerkte ich, wie dunkel und unheimlich der Wald zu unserer Rechten wirkte. Wie Beine von erstarrten Riesen standen die Bäume in der Gegend herum. Tote Äste und Wurzeln ragten wie Knochen aus dem Boden. Schwache Nebelschwaden, die ich vorher nicht gesehen hatte, krochen kalt zwischen den Stämmen entlang.
„H-Hallo?“, rief Greg in die Dunkelheit. Seine Stimme hallte gespenstisch zwischen den Bäumen wider.
Ich biss mir auf die Zunge. Was tat er denn? Eine der ersten Regeln bei Horrorfilmen war, dass man niemals ‚Hallo?‘ oder ‚Ist da jemand?‘ rufen durfte.
Im Wald blieb alles still. Kein Rascheln, kein Knacken, keine Schritte im Unterholz.
„Das war bestimmt nur irgendein Tier“, sagte Margery mit ihrer rationalen Art.
Greg wirkte alles andere als überzeugt. „Es wird langsam spät. Vielleicht sollten wir umkehren“, schlug er vor.
Stephen grinste. „Das hat natürlich rein gar nichts damit zu tun, dass du dich gerade erschrocken hast …“, neckte er ihn.
„Halt die Klappe. Ich bin nur müde.“ Greg gähnte demonstrativ.
„Ach kommt schon“, ging ich dazwischen. „Wir sind noch nicht einmal eine halbe Stunde unterwegs.“
Aber Greg blieb stur. „Ich weiß ja nicht, was mit euch ist, aber ich hab morgen Training. Da will ich ausgeschlafen sein.“
„Training?“, hakte Stephen nach. „An einem Sonntag? Das einzige Training, das du morgen hast, ist mit deiner Freundin im Bett.“
„Und? Wenigstens hab ich eine Freundin“, konterte Greg. „Außerdem geh ich sonntags immer joggen! Das würde dir auch …“
„Schhht! Seid leise!“, flüsterte Margery plötzlich.
Sofort verstummten die beiden Streithähne, während Margery mit ihrer Taschenlampe in den Wald leuchtete, als suche sie etwas.
„Hast du was gehört?“, fragte ich leise. Ich lauschte angestrengt, während auch ich meine Taschenlampe hob. Genau in diesem Moment kam eine Windböe auf und brachte die Bäume um uns zum Rascheln. Blätter wurden über die Straße geweht und kratzten leise über den Asphalt. Ansonsten hörte ich nichts, also verließ ich mich auf meine Augen.
Im Schein unserer Taschenlampen sah ich dieselben Bäume wie vorhin. Einige von ihnen waren mit Moos bewachsen. Ich erkannte die unförmigen Muster, die die Rinde auf ihre Stämme zeichnete. Das Gebüsch, das vorhin geraschelt hatte. Noch mehr Bäume. Warte! War da nicht gerade etwas?
Mein Licht fiel auf etwas, das halb hinter einem der Bäume versteckt war. Stoff! Aber nicht irgendein Stoff … eine Hose. Langsam leuchtete ich höher. Mein Puls dröhnte in meinen Ohren, als mein Herz schneller schlug. Jetzt kam eine graue Stoffjacke zum Vorschein. Eine Hand, die sich vorsichtig am Stamm festhielt und …
Mein Magen krampfte sich zusammen, als das Licht meiner Taschenlampe auf sein Gesicht fiel. Oder besser gesagt das, was davon noch übrig war.
Die anderen sahen es auch.
„Ch-ch-Charlie!“, stieß Greg panisch hervor.
Mein Herz setzte einen Schlag aus. Nein, es setzte nicht aus, es würde langsamer. Mein ganzer Körper begann zu zittern. Kalter Schweiß lief mir den Nacken hinunter, während sich Panik in mir breitmachte.
Doch während die anderen schrien und losliefen, blieb ich wie angewurzelt stehen. Es war, als hätte mein Körper vergessen, wie man wegrannte. Ich verfiel in eine völlige Schockstarre. Charlie No-Face stand keine vier Meter von mir entfernt hinter einem Baum. Es war, als würde sein augenloses Gesicht mich direkt anstarren, während die schnellen Schritte meiner Freunde in der Ferne verhallten.
Die Beschreibungen, die ich gehört hatte, wurden dem echten Charlie nicht gerecht. Ich hatte mir sein Gesicht immer wie eine unförmige Masse vorgestellt, in der man kaum noch einen Menschen erkennen konnte. Aber es war anders. Es sah unnatürlich aus, aber auch irgendwie menschlich. Ich erkannte genau, wo einmal seine Augen gewesen waren. Die Nase war wirklich ein klaffendes Loch und sein leicht offener Mund bestand aus einem dicken Geschwulst und einer Unterlippe.
Im direkten Kontrast dazu standen seine menschlichen Ohren, die dunklen Haare, die irgendwie gepflegt wirkten, und die lockere Kleidung.
Plötzlich setzte Charlie sich in Bewegung. Er löste sich von seinem Baumstamm und kam direkt auf mich zu – langsam aber bestimmt. Innerlich schrie ich meinen Körper an, dass er sich bewegen, dass er wegrennen solle, aber es war zwecklos. Ich konnte nur zusehen, wie Charlie näher und näher kam.
Tock, ertönte es, als er die Straße erreichte. Er hielt einen Gehstock in der Hand, den ich vorher nicht bemerkt hatte. Bei jedem Schritt knallte er ihn bedrohlich auf den Asphalt. Tock.
Jetzt hatte er mich fast erreicht. Sein Gesicht schien mich noch immer direkt anzustarren. Mein Atem ging schnell und stoßweise.
Plötzlich blieb Charlie stehen. Er legte den Kopf schief, als würde er lauschen. Konnte er mich nicht sehen?
Als habe er sich erschrocken, trat er einen Schritt zurück. „Hallo?“, fragte er. „Ist da jemand?“
Ich sah ihn irritiert an. Das waren nicht gerade die Worte, die man von einem Geist oder Monster erwarten würde.
„H-hallo?“, erwiderte ich völlig perplex. Ich war so irritiert, dass ich sogar das Weglaufen vergaß, auch wenn ich es jetzt problemlos wieder gekonnt hätte.
„Bist du aus der Stadt?“, fragte er. Auch wenn es nicht ganz einfach war, ihn zu verstehen, klang seine Stimme nicht bedrohlich, sogar irgendwie freundlich.
Ich nickte.
Als Charlie nicht reagierte, bemerkte ich meinen Fehler – er war wohl wirklich blind – und ergänzte ein. „Ja. Du bist Charlie, richtig?“
Er legte den Kopf schief, als müsse er über die Frage nachdenken. „So werde ich manchmal genannt, aber mein richtiger Name ist Raymond.“
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Tut mir leid. Ich habe so viele Legenden über dich gehört. Nie hätte ich gedacht, dass du ein echter Mensch bist. Ich heiße Jonathan“, stellte ich mich vor.
Raymond wirkte gar nicht so übel. Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile. Er fragte mich über aktuelle Geschehnisse in der Stadt und ich erzählte ihm ein wenig von meinen Freunden. Auch sprachen wir über Baseball.
Während des gesamten Gesprächs blieb Raymond auf Abstand, als habe er Angst vor mir. Ich konnte mir jedenfalls gut vorstellen, wie die Menschen ihn bei seinem Aussehen behandelten. Trotzdem schien er ein wirklich netter Mann zu sein.
Als wir uns schließlich verabschiedeten, sah ich ihm noch eine ganze Weile nachdenklich nach, bevor ich mich selbst auf dem Heimweg machte.
Es war auch nicht das letzte Mal, dass ich ihm begegnete. Wie ich erfuhr, ging er fast jede Nacht spazieren und meine Freunde und ich – sie glaubten mir anfangs übrigens kein Wort, bis ich es ihnen bewiesen hatte – machten uns manchmal einen Spaß daraus, ihn zu suchen, um mit ihm eine zu rauchen oder ein Bier zu trinken. Ich möchte fast sagen, dass wir mit der Zeit Freunde wurden.
Das ist jedenfalls meine Geschichte, wie ich Raymond Theodore Robinson kennengelernt habe, besser bekannt als Charlie No-Face, auch wenn ich ihn nie wieder so nannte. Für mich war er einfach nur Ray – ein wegen seines Aussehens missverstandener Mann mit einem großen Herzen und mein Freund.
Bleibt auf dem Neusten Stand und folgt mir auf:
Die Legende:
Charlie No-Face (Englisch für „Charlie Kein-Gesicht“), manchmal auch the Green Man („der Grüne Mann“), the Glowing Green Man („der Leuchtende Grüne Mann“) oder das Monster von Beaver County genannt, ist eine urbane Legende aus Pennsylvania, USA.
Hinter dem vermeintlichen Monster steckt in Wirklichkeit die tragische Lebensgeschichte von Raymond Theodore Robinson. Mehr dazu findet ihr weiter unten unter „Ursprung“.
Entstehung:
Darüber, wie Charlie No-Face angeblich entstanden sei, gibt es viele Geschichten.
Oft heißt es, dass er ein Mann war, der in einer Fabrik oder einem Atomkraftwerk gearbeitet habe. Bei einem Unfall wurde der Mann radioaktiv verstrahlt oder bekam Säure ab, wodurch er fürchterlich entstellt wurde.
In anderen Erzählungen geriet er in ein Feuer, wurde von einem Blitz getroffen oder bekam auf andere Weise einen Stromschlag, wodurch sein Gesicht geschmolzen sei.
Entweder sei der Mann bei diesem Unfall gestorben, weshalb sein Geist nun die Gegend um Pittsburgh heimsuche, oder aber er habe überlebt und verstecke sich seither in der Gegend – meist in einem alten Haus mit Brettern vor den Fenstern, einem verlassenen Fabrikgelände oder einem Tunnel.
Auch gibt es Erzählungen, in denen „Charlie“ sich die Verletzungen bereits als Kind zugezogen habe.
Einmal habe ich sogar gelesen, dass er sein Gesicht selbst entstellt habe.
Aussehen:
Charlie No-Face kann je nach Erzählung unterschiedlich aussehen. Meist ist er jedoch ein weißer Mann, der ein stark entstelltes Gesicht haben soll. Seine Augen fehlen, statt seiner Nase klafft nur ein Loch in seinem Gesicht und sein Mund ist kaum als solcher zu erkennen. Außerdem fehlt ihm gelegentlich ein Ohr, eine Hand und/oder ein Arm.
Einige Versionen besagen zusätzlich, dass er eine grüne Hautfarbe habe oder grünlich leuchten solle. Gerade Letzteres spielt oft auf die Radioaktivität an, durch die Charlie No-Face in einigen Legenden entstanden sein soll. Daher wird er gelegentlich als der (Glowing) Green Man bezeichnet.
Eigenschaften:
Hier kommt wohl der langweiligste Teil der Legende: Wenn Charlie No-Face einem Menschen begegnet, passiert absolut gar nichts.
In den Geschichten ist zwar immer von dem ach so gruseligen Mann, Geist oder Monster die Rede, aber fast nie geht jemand darauf ein, was passiert, wenn man ihm begegnet. In den meisten Erzählungen heißt es lediglich, dass jemand ihn gesehen habe. Sehr selten soll er den Leuten nachgelaufen sein. Trotzdem haben viele Leute – besonders Kinder – noch heute Angst vor ihm.
Sicherlich gibt es auch Versionen, in denen Charlie No-Face den Menschen, die ihm begegnen, etwas antut – immerhin ist es eine bekannte und in der Region oft erzählte Legende –, aber bei meiner Internetrecherche habe ich nicht eine einzige solche Erzählung finden können.
Lebensraum/Vorkommen:
Charlie No-Face soll hauptsächlich nachts im Westen Pennsylvanias gesehen werden. Dort gibt es viele Orte, die mit ihm in Verbindung gebracht werden, wie zum Beispiel die Route 351 oder der Green Man Tunnel, der sogar nach ihm benannt wurde.
Ursprung:
Hier muss ich etwas weiter ausholen, denn Charlie No-Face, der Green Man, das Monster von Beaver County ist nicht bloß eine Legende, sondern war ein realer Mann namens Raymond Theodore Robinson. Ray – wie seine Freunde und Familie ihn nannten – war jedoch alles andere als ein Monster. Er war ein herzensguter und liebenswürdiger Mensch.
Raymond Theodore Robinson (29. Oktober 1910 – 11. Juni 1985) war ein ganz gewöhnlicher Junge. Als er 8 Jahre alt war, hatte er jedoch einen schrecklichen Unfall.
Der Unfall:
Beim Spielen mit einigen Freunden wollte Robinson auf eine stillgelegte Eisenbahnbrücke klettern, weil er dort ein Vogelnest gesehen hatte. Dabei kam er in Kontakt mit einem Starkstromkabel. Er verlor seinen rechten Arm, seine Augen und seine Nase. Sein Gesicht wurde schrecklich entstellt. Die Ärzte gingen nicht einmal davon aus, dass er es schaffen würde. Doch der junge Robinson überlebte.
Daraufhin wurde er von seiner Familie isoliert. Er verließ fast nie das Grundstück und hatte außer seiner Familie angeblich keine Freunde mehr. Trotzdem kämpfte er weiter. Er behielt seine Leidenschaft für Baseball und hörte sich die Spiele im Radio an, lernte Braille. Später fertigte er aus alten Reifen Fußmatten und aus Leder Brieftaschen an, um etwas Geld zu verdienen.
Irgendwann begann er schließlich, sich wieder nach draußen zu wagen, um die Highways entlang zu gehen – jedoch immer nur in der Nacht. Und so wurde aus einem Mann bald eine Legende.
Wie Robinson zu Charlie No-Face wurde:
Obwohl Robinson sich nur nachts auf die Straße wagte, blieb er natürlich nicht ungesehen. Leute, die mit dem Auto an ihm vorbeifuhren, erhaschten im Licht ihrer Scheinwerfen für einen kurzen Moment einen Blick auf sein entstelltes Gesicht. Einige redeten auch mit ihm – und so dauerte es nicht lange, bis sich die Geschichte des gesichtslosen Mannes, der nachts auf den Straßen wandert, herumsprach.
Die meisten Leute glaubten natürlich nicht daran, sie hielten Robinson – oder Charlie No-Face, wie er bald genannt wurde – für nichts weiter als einen Mythos. Trotzdem machten sich immer wieder Leute auf die Suche nach ihm.
Viele von ihnen hatten keine bösen Absichten. Sie suchten nach etwas Aufregung, rannten vielleicht schreiend weg, wenn sie ihn tatsächlich sahen, aber Robinson gewann so auch viele Freunde. Er unterhielt sich mit ihnen, trank mit ihnen ein Bier oder rauchte eine Zigarette, ließ Fotos von sich machen – wie gesagt war er ein herzensguter und liebevoller Mensch.
Aber es waren nicht alle nett zu ihm. Einige suchten ihn, nur um ihn zu beschimpfen, ihn auszulachen oder ihn sogar anzugreifen. Er wurde mehrfach angefahren und es wurde ihm z. B. angeboten ihn ein Stück mitzunehmen nur, um ihn irgendwo im Nirgendwo aus dem Auto zu werfen. Es heißt sogar, dass er keine bereits geöffneten Bierflaschen annahm, weil einmal jemand in die Flasche gepinkelt habe, bevor er sie ihm gegeben hatte.
Trotzdem schafften all diese schlechten Menschen es nicht, Robinson zu brechen. Außerdem waren die meisten Menschen zum Glück freundlich zu ihm. Er ließ sich seine nächtlichen Spaziergänge durch nichts nehmen, bis er irgendwann ins Pflegeheim musste. Kurz darauf starb er – als geliebter Freund, Familienmitglied und regionale Legende.
Robinsons Vermächtnis:
Mit Robinsons Tod starb jedoch nicht die Legende. Noch heute erzählt man sich in der Region von Charlie No-Face oder dem Green Man. Noch heute verbreitet die Legende dieses eigentlich so warmherzigen Mannes Angst und Schrecken.
Daher widme ich diesen Beitrag Raymond „Ray“ Theodore Robinson. Einem Mann, der trotz all dem Schlechten in seinem Leben nie seine Freundlichkeit und Güte verloren haben soll. Möge er in Frieden ruhen.
Was haltet ihr von Charlie No-Face? Mögt ihr die Legende? Was sagt ihr dazu, jetzt, wo ihr ihren wahren Kern kennt? Schreibt es in die Kommentare!
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Nice, danke 😀
ich finde die Geschichte ist (vor allem wegen dem wahren kern) sehr interessant. aber ich wollte auch mal nach fragen ob uwabami (sorry ich weis nicht ob das jetzt wirklich der richtige Name war, aber ich glaube schon, bin ja sehr vergesslich) also so ein Schlangen yokai auf deiner liste steht
Stimmt. Der wahre Kern macht hier definitiv den Reiz aus.
Den Yōkai kannte ich tatsächlich noch nicht, aber eine Riesenschlange ist definitiv mal was anderes als die üblichen Monster. Ich schreib sie auf meine Liste! 😁
Hey, das ist wie immer eine super Geschichte geworden. Ich denke dass das bisher meine Lieblings Geschichte ist, auch wenn ich dachte das am Ende was anderes passiert. Mir tut der Mann mega Leid, aber ich freue mich, dass er trotzdem nie seine Freundlichkeit verloren hat.
Ouha, das freut mich. Was gefällt dir denn an der Geschichte so gut? 😄
Mir tut Robinson auch mega leid. Um ehrlich zu sein, war ich bei der Recherche sogar einmal kurz vorm Heulen. Aber wie du schon sagtest: Es ist wirklich toll, dass er seine Freundlichkeit nicht verloren hat.
Mir gefällt eigentlich vor allem, dass sie sich angefreundet haben.
Dann habe ich gute Nachrichten für dich: Ich habe bei meiner Recherche einige Interviews von Leuten gelesen, die ihn damals kannten und häufiger mal ein Bier mit ihm getrunken und/oder eine Zigarette mit ihm geraucht haben. Einige von ihnen haben auch gesagt, dass sie ihn als Freund gesehen haben. ^^