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Bubak
Bubák (2019)

Bubák

Die Legende des Bubák hat zwar nichts mit Halloween zu tun, dafür fand ich das Aussehen passend genug und habe die Geschichte in ein Halloweensetting gesetzt.

Die Geschichte:

„Ach komm schon, Patrik, das wird lustig!“, sagte Ondrej.

„Ich weiß nicht. Stell dir mal vor, das würde jemand bei unserem Haus machen …“, sagte ich zögerlich.

„Das Haus von Král ist aber nicht unser Haus!“, widersprach Ondrej.

Er hatte recht. Herr Král war ein gruseliger alter Mann, der in der Nachbarschaft wohnte. Sein Haus stand genau am Rande des Dorfes in Richtung Stadt, sodass wir immer daran vorbeifuhren, wenn wir in den Supermarkt wollten. Ich hatte ihn dabei bisher jedes Mal gesehen, wie er vor seinem Haus stand und uns beobachtete.

„Und was, wenn Herr Král gefährlich ist? Kennst du nicht die Gerüchte?“, fragte ich unruhig. Mein Blick fiel auf eine Vogelscheuche, die in dem Feld gegenüber von Herrn Králs Haus stand.

„Ach, du glaubst doch auch alles, was man dir erzählt. Es wird alles gut. Du wirst schon sehen!“, tat Ondrej meine Bedenken ab. „Was ist?“, fügte er hinzu, als er bemerkte, dass ich stehengeblieben war.

„D-die Vogelscheuche da“, stammelte ich, „Die stand gestern noch nicht dort!“

„Ja und?“, fragte Ondrej lässig, „Es ist Halloween. Sei doch froh, wenn die Leute endlich mal dekorieren!“

Misstrauisch sah ich die Vogelscheuche einige Sekunden an, wie sie ganz ruhig dastand und mich mit ihren leeren Augen beobachtete.

Dann erreichten wir Herrn Králs Haus. Wir versteckten uns hinter einer Hecke, während wir es beobachteten. Der Vollmond spendete ausreichend Licht, sodass wir alles sehen konnten.

„Er ist schonmal nicht draußen“, flüsterte ich.

Zuhause war er aber, immerhin stand sein Auto in der Auffahrt.

„Sieh mal da hinten!“, flüsterte Ondrej zurück. Er zeigte auf eines der Fenster.

Dort sah man immer wieder Licht aufblitzen. Ich kannte das Flackern nur zu gut. Genau so sah es aus, wenn Papa abends vorm Fernseher saß.

„Komm mit“, zischte Ondrej mir zu. Er rannte los, bis er vor Herrn Králs Gartentor war.

Als ich ihn erreichte, konnte ich ein leises Kichern hören.

„Was machst du da?“, fragte ich misstrauisch.

Er zeigte mir eine Dose Rasierschaum. „Den hab ich von Papa geliehen. Wenn Král das nächste Mal sein Gartentor öffnen möchte, fasst er voll rein!“

„Manchmal bist du echt unmöglich!“, zischte ich ihm zu.

„Was? Du hast doch zugestimmt, sein Haus mit Eiern zu bewerfen. Da macht etwas Rasierschaum keinen Unterschied!“

Zugestimmt … Ja klar … Er hatte mich vielmehr dazu gezwungen. Zu meinem Entsetzen drückte Ondrej mir jetzt ein Ei in die Hand.

„Du bist als Erster dran“, erklärte er.

„I-ich?“, fragte ich. Aber ich kannte die Antwort bereits. Wenn ich jetzt einen Rückzieher machte, konnte ich mir das noch wochenlang von ihm anhören!

Leicht nervös nach ich ihm das Ei aus der Hand. Dann sah ich mich verstohlen um.

„Oh, scheiße!“, fluchte ich und ging in die Hocke.

Ondrej tat es mir gleich. „Was ist?“, fragte er verwirrt.

„Da im Feld!“, flüsterte ich, „Da steht jemand!“

Ondrejs Reaktion überraschte mich: Er knallte mir seine Hand an den Hinterkopf. Dann rollte er mit den Augen. „Dass mein Bruder so ein Schisser ist. Das ist die Vogelscheuche von eben, du Idiot!“

„Nein, das …“, ich sah die Gestalt eindringlich an.

Ondrej hatte recht. Es war die Vogelscheuche. Ich hatte sie nur viel kleiner in Erinnerung – beinahe, als wäre sie näher gekommen!

„Schisser!“, wiederholte sich Ondrej.

Dann nahm er selbst ein Ei aus der Packung und schleuderte es mit voller Wucht gegen die Hauswand. Es machte ein klatschendes Geräusch, bevor es seinen schleimigen Inhalt überall an den Steinen verteilte. Ohne zu zögern, nahm er ein weiteres Ei. Dieses Mal traf er die Hausnummer.

„Volltreffer!“, sagte er triumphierend, „Aber wenn du nicht langsam mal wirfst, sind gleich keine Eier mehr übrig!“

Ondrej sah mich erwartungsvoll an. Das war mein Einsatz. Ich musste mich jetzt trauen.

„Pass nur auf, dass du nicht das Fenster triffst!“, mahnte Ondrej mich, als ich mit dem Arm ausholte.

Ich war doch nicht blöd. Das würde viel zu viel Lärm machen! Ich visierte die Hauswand an, schätzte grob die Entfernung ab und warf das Ei mit voller Wucht. Ich war noch nie gut im Werfen: Es klatschte mit einem lauten Knall gegen das Fenster …

„Vollidiot!“, fluchte Ondrej.

Vielleicht hatte Herr Král es ja gar nicht gehört … Trotzdem duckte ich mich schnell hinter den Zaun. Ondrej tat es mir nach.

Jetzt, wo ich mit dem Rücken zum Haus saß, fiel mein Blick erneut auf die Vogelscheuche. Sie sah noch größer aus, als eben. Ich konnte sogar viel mehr Details erkennen … Ich schluckte. Das war nicht möglich, ich musste es mir einbilden!

Das Geräusch von Herrn Králs Haustür riss mich aus meinen Gedanken.

„Oh, diese verdammten Gören! Ich werde sie umbringen!“, schrie er. Scheinbar hatte er gerade die Eier an seiner Hauswand entdeckt.

Ohne weiter darüber nachzudenken, erhaschte ich einen flüchtigen Blick über den Zaun. Herr Král sah aber nicht, wie ich dachte, an seine Hauswand, sondern sein Blick war in Richtung Straße gerichtet. Sobald er mich sah, fixierten sich seine kleinen, dunklen Augen auf mich. Sie formten sich zu zwei Schlitzen, während sein Gesicht rot anlief.

„Hab ich dich!“, schrie er mit einer solchen Wut, dass sich mein Magen zusammenkrampfte.

„Lauf!“, zischte Ondrej mir zu.

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen: Ich sprang auf und rannte los. Mit entsetzen bemerkte ich jedoch, wie Ondrej nicht auf der Straße, sondern in das Waldstück neben dem Feld lief. Wer lief denn bitte nachts in einen dunklen Wald?

Dann bemerkte ich noch etwas viel Schlimmeres. Wieder und wieder ließ ich meinen Blick über das Feld wandern. Wo war die Vogelscheuche?

Hinter mir hörte Herrn Král fluchen. Er hatte das Eingangstor erreicht. Ich sah, wie er seine jetzt mit Rasierschaum verschmierte Hand an der Hose abwischte, während er schnell näherkam.

Ich hatte keine Zeit zum Überlegen und rannte kurzerhand Ondrej nach.

Zum Glück war ich deutlich schneller als Herr Král, sodass er die Verfolgung schon nach kurzer Zeit aufgab.

„Wenn ich das euren Eltern erzähle, könnt ihr was erleben!“, schrie er mir nach.

Ich hatte unterdessen den Wald erreicht.

„Ondrej?“, rief ich leise in den Wald hinein, „Ondrej, wo bist du?“

Stille. Der Wind wehte durch die Bäume und erzeugte ein gespenstisches Rascheln. Im Gegensatz zu der Straße oder dem Feld reichte hier das Mondlicht nicht bis zum Boden, sodass es bereits wenige Meter in den Wald hinein stockdunkel wurde.

„Ondrej?“, rief ich etwas lauter, „Komm schon Ondrej, das ist nicht lustig!“

Immer noch keine Antwort! Dafür hörte ich etwas anderes. War das ein Klappern? Es klang so, als würden Äste oder irgendetwas ähnliches leicht gegeneinanderschlagen. Was konnte das sein?

„Ondrej, bist du das?“

Wenn das ein dummer Scherz war …!

Langsam und vorsichtig schlich ich in die Richtung, aus der das Klappern kam.

„Wäääääh! Wäääääh!“

Erschrocken hielt ich inne. Wo kam das Babygeschrei her? War das eine Tonaufnahme?

„Ondrej, wenn du nicht sofort aufhörst, erzähl ich es Mama! Und zwar alles!“, schrie ich wütend in die Dunkelheit.

„Wääääääh! Wääääääääh!“

Seltsam. Das zog normalerweise. Wenn ich ihm das androhte, wusste Ondrej eigentlich, dass er zu weit gegangen war. Doch das Babygeschrei hörte nicht auch.

Konnte es sein, dass dort wirklich ein Baby schrie? Aber was war dann mit Ondrej? Das ergab doch alles keinen Sinn!

Verwirrt ging ich weiter. Je lauter das Geschrei wurde, desto unsicherer wurde ich. Am liebsten wäre ich umgekehrt. Aber was, wenn Ondrey irgendetwas passiert war? Außerdem würde mich dieses Geschrei auf ewig in meinem Schlaf verfolgen, wenn ich jetzt wegrennen würde!

Ich wünschte, ich wäre umgekehrt … Als ich das Geschrei erreichte, lag ein Sack vor mir. Er bewegte sich. Da war ja wohl kein Baby drin eingesperrt … oder?

„Hilfe! Hilfeee!“, ertönte es dumpf aus dem Sack.

Das war Ondrej!

„Ondrej!“, schrie ich und machte mich sofort daran, den Sack zu öffnen.

„Patrik? Patrik, hilf mir!“

Das war der Moment, in dem das Babygeschrei abrupt stoppte, woraufhin das Klappern von eben wieder ertönte. Nur dieses Mal, war es ganz nah …

Voller Anspannung hielt ich den Atem an, während ich den Kopf hob. Vor mir stand … die Vogelscheuche. Nur, dass es gar keine Vogelscheuche war! Sie bewegte sich.

Auf einen zweiten Blick erkannte ich zudem, dass sie neben dem Stoff aus Knochen zu bestehen schien. Man sah ihren Brustkorb, und das, was ich ursprünglich für den Stab gehalten hatte, mit der eine Vogelscheuche in den Boden gesteckt wurde, bestand aus einer sehr langen Wirbelsäule!

Als die lebendige Vogelscheuche sich vorbeugte, erstarrte ich. Ich konnte mich vor Angst keinen Zentimeter mehr bewegen. Ich war wie gelähmt! Jetzt erkannte ich auch, woher das Klappern, dieses fürchterliche Klappern kam: Es waren die Knochen des Wesens, die bei ihrer Bewegung aneinanderschlugen.

In meinem gelähmten Zustand war ich leichte Beute. Erst als die Vogelscheuche mich packte, setzte mein Fluchtinstinkt ein. Ich trat um mich, spuckte, biss und schrie. Doch es brachte alles nichts. Die Vogelscheuche war zu stark für mich. Sie steckte mich zu Ondrej in den Sack. Das Tageslicht würde ich nie wiedersehen.

Die Legende:

Der Bubák (im Englischen auch „Sack man“ oder „Bag man“ genannt) ist ein Boogeyman des Tschechischen und Slowakischen Volksglaubens.

Aussehen:

Es heißt zwar, dass der Bubák kein festes Aussehen habe, häufig wird er jedoch als Vogelscheuche beschrieben. Dabei kann er wie eine klassische Vogelscheuche aussehen oder gar einen Kürbiskopf und Strohhut haben.

Des Weiteren sagt man dem Bubák nach, dass seine vogelscheuchenähnliche Gestalt von einem Gerüst aus Knochen – in den meisten Fällen mindestens einem Brustkorb – zusammengehalten wird.

Die Stange, mit der Vogelscheuchen im Boden befestigt wird, soll bei dem Bubák aus Knochen wie z.B. einer Wirbelsäule bestehen.

Eigenschaften:

Meist hört man von dem Bubák, wenn Eltern ihren Kindern von ihm erzählen. Wie bereits erwähnt, ist er ein Boogeyman des Tschechischen und Slowakischen Volksglaubens. Er entführt also hauptsächlich unartige Kinder.

Neben der Fähigkeit, sich als scheinbar normale Vogelscheuche zu tarnen, hat der Bubák noch einen viel fieseren Trick auf Lager: Er kann die Stimme eines schreienden Babys imitieren, um so seine nichts ahnenden Opfer zu sich zu locken.

Man sagt außerdem, dass der Bubák hauptsächlich bei Vollmond aktiv sei. Er soll in dieser Zeit auch Stoff aus den Seelen seiner Opfer stricken.

Den Namen „Sack man“ oder „Bag man“ hat er übrigens von der Tatsache, dass er seine Entführungsopfer in einen Sack stopfen soll.

Wie bei den meisten Legenden dieser Art ist nicht genau bekannt, was er mit seinen Opfern nach der Entführung macht.

Eine weniger Verbreitete – aber scheinbar in den Ursprungsländern der Legende bekannte – Erzählung ist, dass der Bubák eine Kutsche, die von schwarzen Katzen gezogen wird, nutzen soll, um zwischen der Welt der Lebenden und der der Toten hin- und herzureisen.

Lebensraum/Vorkommen:

Der Bubák ist wegen seines tschechisch-slawischen Ursprungs auch hauptsächlich nur in den beiden Ländern bekannt. Daher wird er auch fast ausschließlich dort gesichtet.

In anderen Regionen der Welt gibt es jedoch andere Legenden, die der Legende des Bubák teilweise sehr ähnlich sind.

Ursprung:

Abgesehen davon, dass der Ursprung des Bubák im Tschechischen oder Slowakischen Raum liegen muss, konnte ich nicht wirklich etwas darüber herausfinden.

Meine Theorie ist jedoch, dass seine Legende aus normalen Vogelscheuchen entstanden ist, die viele Leute als sehr gruselig empfinden.


Wie hat euch die Legende des Bubák gefallen? Findet ihr Vogelscheuchen auch so gruselig, wie ich? Schreibt es in die Kommentare!

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4 Kommentare

    • Jeremie Michels schreibt:

      Das ist schon einmal sehr spannend. Der sorbische Bubak scheint (inzwischen) eine recht andere Kreatur zu sein. Jetzt wäre es natürlich spannend, zu wissen, welche der beiden Versionen dem Original von früher am nächsten kommt. Ich werde jedenfalls mal gucken, ob ich noch mehr zu dem Thema herausfinden kann (wobei man über den sorbischen Bubak leider nur sehr wenig im deutschsprachigen Internet zu finden scheint).

  1. Monika schreibt:

    Warum bist du zu den Kindern in deinen Geschichten immer so gemein? D:
    Mir tun die immer so leid.

    Die Geschichte ist gut geschrieben aber die armen Kinder!

    Spaß beiseite. 😀

    Ich halte ja nicht viel von den „negativen Halloween-Bräuchen“, da das ja gerne mal nach hinten losgehen kann. (So wie in der Geschichte) aber die Geschichte selbst hat mir gut gefallen.

    Zu den Fragen:
    ~Wie hat euch die Legende des Bubák gefallen?
    Mir gefällt es, dass es eine tschechische/slowakische Legende ist. Kannte bis jetzt noch keine.

    ~Findet ihr Vogelscheuchen auch so gruselig, wie ich?
    Ob ich Vogelscheuchen gruselig finde oder nicht, hängt davon ab, wie ihr Gesicht ausschaut. Und zwar nur das Gesicht. Es ist mir egal, was sie an- oder aufhat. (Solange es nichts ist, was einmal gelebt hat.^^°)
    Umso grotesker das Gesicht ausschaut, desto unheimlicher ist mir die gesamte Vogelscheuche.

    Liebe Grüße
    Monika

    • Jeremie Michels schreibt:

      Warum bist du zu den Kindern in deinen Geschichten immer so gemein? D:
      Mir tun die immer so leid.

      Das liegt ja nicht an den Kindern. Tiere, Schwangere, ältere Leute oder Erwachsene generell werden doch auch nicht verschont! ^^

      Ich halte ja nicht viel von den „negativen Halloween-Bräuchen“, da das ja gerne mal nach hinten losgehen kann.
      Du meist sowas, wie Häuser mit Eiern zu bewerfen oder Zahnpasta/Rasierschaum unter Klinken zu schmieren, etc.? Wenn ja, dann kann ich das verstehen. Sowas geht absolut gar nicht! -.-‘

      Mir gefällt es, dass es eine tschechische/slowakische Legende ist. Kannte bis jetzt noch keine.
      Ich lerne auch immer gerne neue Legenden aus anderen Kulturen kennen. Freut mich, dass es dir gefällt!

      […] Umso grotesker das Gesicht ausschaut, desto unheimlicher ist mir die gesamte Vogelscheuche.
      Echt? Ich kenne bisher nur Vogelscheuchen ohne Gesichter (sofern sie nicht auf Filmen oder Spielen kommen), fand die aber schon extrem gruselig. Einmal bin ich an einem Haus vorbeigegangen, das meine Sicht auf eine Vogelscheuche blockiert hat und konnte mir immer nur denken „Wehe, die Vogelscheuche ist gleich weg!“ :’D

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