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Hanako-san Zeichnung von Jeremie Michels. Man sieht ein junges japanisches Mädchen mit einem roten Rock mit Trägern, einem weißen Oberteil und einer weißen Strumpfhose. Ihre schwarzen Haare sind zu einem Pagenschnitt geschnitten, der einen Schatten in ihr Gesicht wirft. Ihre Mimik deutet ein kaltes, gefühlsloses Lächeln an.
Hanako-san (2020)

Hanako-san

Die Legende von Hanako-san ist eine der bekanntesten modernen Geistergeschichten Japans. Besonders unter Kindern ist sie beliebt und gefürchtet.

Die Geschichte:

„Ich hab Erdbeer-Cupcakes gebacken. Wer möchte?“, fragte Airi, während sie einen großen Plastikbehälter auf den Tisch stellte.

Die anderen Mädchen stürzten sich gierig darauf. Ich hingegen stand daneben und sah dem Treiben schlecht gelaunt zu. Der sahnige Erdbeergeruch ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen, doch ich ließ mir nichts anmerken.

„Yui, möchtest du auch einen?“, fragte Airi mit ihrem zuckersüßen Lächeln.

Ich schnaubte. Insgeheim hätte ich mich gerne genauso darauf gestürzt, wie die anderen, doch ich wollte Airi damit nicht durchgehen lassen. Seit sie in unserer Klasse, war, ging es immer nur um sie!

Sogar die Lehrer waren begeistert, weil sie in ihren jungen Alter schon so gut backen konnte …

Demonstrativ hielt ich meine Brotdose hoch. „Nein Danke. Meine Mama hat mir Onigiri gemacht“, erwiderte ich.

Während ich meine Reisbällchen aß, beobachtete ich die anderen Mädchen. Alle wollten sie neben Airi sitzen oder zumindest mit ihr reden. Ich konnte nicht verstehen, wieso sich meine Freundinnen mit etwas Gebäck kaufen ließen! Wir kannten Airi doch kaum und trotzdem wollte jede ihre beste Freundin sein!

Im Nachhinein betrachtet, muss ich gestehen, dass es an mir lag. Ich war schon immer ein stures Kind gewesen. In Wirklichkeit war ich bloß eifersüchtig auf ihre Beliebtheit. Ich konnte ja nicht ahnen, was ich damit anrichten würde …

Früher war ich der Mittelpunkt jeder Geburtstagsparty oder Übernachtung gewesen. Meine Freundinnen liebten meine Gruselgeschichten, die ich wiederum von meinem großen Bruder hatte. Es hatte etwas verlockend Verbotenes an sich, solche Geschichten zu erzählen, obwohl wir noch keine Horrorfilme gucken durfte.

Das alles änderte sich jedoch, als Airi in unsere Klasse kam. Sie mochte Geistergeschichten nicht, weswegen mit ihrer Beliebtheit meine Geschichten immer unerwünschter wurden. Bei der letzten Übernachtung wurde mir sogar verboten, eine Geschichte zu erzählen, um Airi nicht wieder zu verängstigen.

Das war genau der Moment, an dem ich einen Plan schmiedete. Es war reine Gehässigkeit, auch wenn ich es damals anders sah.

Mein Bruder hatte mir vor einigen Jahren die Geschichte von Toire no Hanako-san erzählt. Hanako-san war eine Grundschülerin wie wir, die in einer Mädchentoilette umgekommen ist. Mein Bruder hatte mir damals gesagt, dass sie sich das Leben genommen habe, es gibt jedoch auch die Theorien, dass sie im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff umgekommen sei, oder, dass sie von einem Erwachsenen missbraucht und ermordet wurde.

Jedenfalls hatte ich beschlossen, Airi dazu zu drängen, Hanako-san zu beschwören. Ich wollte ihr einen Schrecken einjagen …

Es war noch an dem Tag, als ich Airis Erdbeer-Cupcakes abgelehnt hatte, dass sie mich kurz nach Schulschluss ansprach.

„Hey, Yui. Kann ich dich kurz sprechen?“, fragte Airi.

„Was ist?“, erwiderte ich genervt.

„Ich weiß, dass du mich nicht sonderlich magst. Aber können wir das nicht ändern? Ich könnte deinen Lieblingskuchen backen …“, schlug sie vor.

Ich ließ mich doch nicht bestechen! Was dachte sie eigentlich, wer sie ist?! Außer …

„Kennst du die Legende von Hanako-san?“, fragte ich unschuldig.

Als ich die Legende erzählte, hielt Airi sich plötzlich die Ohren zu. „Stopp! Du weißt, dass ich solche Geschichten nicht mag!“, schrie sie.

Doch ich brachte sie zum Zuhören. „Es ist eine Mutprobe. Wenn du sie bestehst, können wir vielleicht Freunde sein. Aber ich muss wissen, dass dir unsere Freundschaft wirklich wichtig ist!“

Airi sagte nichts, senkte aber ihre Hände. Ihre gesamte Körperhaltung zeigte mir, dass ihr unwohl war. Ihre Arme waren verschränkt, ihre Schultern leicht hochgezogen.

Es lief noch besser als geplant. Wenn Airi sich weigerte, die Mutprobe zu machen, war sie Schuld daran, dass wir keine Freunde werden konnten. Dann hätte ich endlich etwas, was gegen sie sprach!

Mit einem zufriedenen Grinsen fuhr ich fort. „Es heißt, dass man Hanako-san beschwören kann, wenn man in den dritten Stock einer Grundschule geht. Dort, in der Mädchentoilette, muss man dreimal an die Tür der dritten Kabine klopfen und dann fragen, ob Hanako mit einem spielen möchte.“ Ich machte eine dramatische Pause.

Airi schluckte. „U-und was passiert dann?“, fragte sie mit bleichem Gesicht.

„Nun … das weiß niemand so genau. Schließlich wurden viele nie wieder gesehen. Es heißt aber, dass Hanako aus der Kabine kommen und dich mit in die Hölle zerrt!“

Jetzt war auch das letzte Bisschen Farbe aus Airis Gesicht gewichen. „U-und das soll ich tun?!“

„Ach, die anderen Mädchen würden doch auch sagen, dass es keine Geister gibt. Oder hast du etwa Angst?“

Ich hatte sie genau da, wo ich sie haben wollte. Sie würde es sich niemals trauen …

„O-okay“, erwiderte sie, „Ich mach’s!“

Jetzt war ich es, der die Farbe aus dem Gesicht wich. „W-wie bitte?“

„Ich mach’s. Wenn wir danach endlich Freundinnen sein können, ist es mir das wert!“

Ich verstand die Welt nicht mehr. Wieso stimmte sie da zu? War ihr unsere Freundschaft wirklich so wichtig?

Mit gemischten Gefühlen ging ich mit Airi in den dritten Stock. Ich hätte niemals von ihr verlangt, Hanako zu beschwören, wenn ich gewusst hätte, dass sie es wirklich tun würde. Was, wenn Hanako tatsächlich auftauchte?

Ohne zu zögern, betrat Airi das Mädchenklo. Halb beeindruckt, halb schockiert folgte ich ihr.

Sollte ich sie aufhalten? Aber was würde sie dann über mich denken?

In der Toilette stank es fürchterlich. Erst roch es intensiv nach irgendeinem süßlichen Parfüm, und als wir weiter hinein gingen nach ganz anderen Dingen.

„Also? Was muss ich tun?“, fragte Airi, als sie vor der Tür der dritten Kabine stand.

Meine Stimme kam mir sehr weit entfernt vor, als ich es ihr ein zweites Mal erklärte.

Dann klopfte sie selbstbewusst an die Tür. Einmal, zweimal, dreimal. Zögernd sah sie zu mir. Als ich nicht reagierte, fuhr sie mit dem Ritual fort. „Hanako-san, willst du mit mir spielen?“

Die nächsten Sekunden waren die längsten meines Lebens. In der vollkommenen Stille konnte ich mein Herz laut in meiner Brust schlagen hören. Kalter schweiß bildete sich an meinen Händen, den ich nervös an meinem Schulrock abwischte.

„Haaaaai!“, schnitt eine freudige Stimme durch die Stille. ‚Hai‘ ist japanisch für ‚ja‘. Ich kann mich noch heute an die genaue Betonung erinnern, als hätte Hanako-san es gerade erst gesagt.

Airi starrte mich mit großen Augen an, doch bewegte sich keinen Zentimeter. Erst, als die Toilettentür sich mit einem leisen Quietschen öffnete, drehte sie ihren Kopf langsam wieder zur Kabine.

Ihre Augen waren mit blankem Schrecken erfüllt. Sie wirbelte herum und rannte auf mich zu. Doch ehe ich realisierte, was geschah, knallte sie auf den Boden.

Jetzt sah ich das Mädchen hinter ihr. Sie hatte schulterlange, gleichmäßig geschnittene Haare und trug einen roten Rock – genau, wie mein Bruder sie beschrieben hatte.

Airi kreischte panisch. Sie trat um sich, versuchte, sich zu befreien. Doch Hanako war zu stark für sie. Mit der Kraft eines Erwachsenen zerrte sie Airi mit sich.

„Yui, hilf mir!“, kreischte Airi mir entgegen. Ihre Augen waren voller Angst und Tränen.

Doch ich rührte mich keinen Zentimeter. Vor Schock stand ich mit offenem Mund reglos da.

Airi kreischte noch immer, als sie mit Hanako-san in der Kabine verschwunden war. Dann verstummte sie plötzlich.

Sofort rannte ich zu ihr. Doch es war zu spät. Airi war verschwunden. Hanako hatte sie mit sich genommen!

Ich … Ich wollte das nicht! Nicht so! Ich wollte Airi doch bloß eine Lektion erteilen!

Am Ende hatte ich genau das bekommen, was ich die ganze Zeit wollte. Airi würde mich nie wieder nerven … Aber zu welchem Preis?

Die Legende:

Hanako-san, auch Toire no Hanako-san (japanisch für Hanako von der Toilette), ist ein bekannter japanischer Klogeist. Sie zählt zu den Yōkai und wird häufig als Onryō bezeichnet.

Ähnlich wie Bloody Mary ist sie Teil einer beliebten Mutprobe geworden, die meist in japanischen Grundschulen durchgeführt wird.

Aussehen:

Hanako-san soll ein junges, japanisches Mädchen sein, dass einen Pagenschnitt als Frisur trägt.

Neben einem roten Rock, den Hanako-san in fast jeder Erzählung tragen soll, wird außerdem häufig erwähnt, dass ihre Kleidung einer älteren japanischen Schuluniform gleiche.

Eigenschaften:

Ähnlich wie Bloody Mary heißt es, dass Hanako-san nicht einfach irgendwo auftauchen würde, sondern, dass man sie gezielt beschwören müsse.

Es gibt verschiedene Versionen, wie diese Beschwörung ablaufen soll.

Die bekannteste und am weiten verbreitetste Methode, ist, dass man im dritten Stock einer Grundschule in die Mädchentoilette gehen müsse. Dort muss man zur dritten Kabine gehen und dreimal an die Tür klopfen.

Ab hier gibt es zwei weitere Variationen. Entweder muss man Hanako-san fragen, ob sie da sei, oder man soll sie zum Spielen auffordern. Wenn sie daraufhin mit einem freudigen „Hai!“ (japanisch für „Ja“) antwortet, bzw. zustimmt, dass sie da sei, hat man sie erfolgreich beschworen.

Von hier an weiß niemand genau, was Hanako-san einem antut. Einige sagen, sie würde einen umbringen oder gar ihre Opfer durch die Toilette in die Hölle zerren.

Es gibt jedoch auch Versionen, in denen Hanako-san ihre Opfer verschont – z.B., wenn es sich um eine gute Schülerin handelt oder man nicht alleine ist.

Aber selbst, wenn sie versuchen sollte, jemanden umzubringen, ist noch nicht alle Hoffnung verloren. So soll es u.A. Geschichten von Leuten geben, die Hanako-san entkommen konnten.

Lebensraum/Vorkommen:

Hanako-san wird fast ausschließlich mit japanischen Grundschulen in Verbindung gebracht. Außerdem soll sie sich häufig in einer Mädchentoilette aufhalten.

Selten wird behauptet, dass man sie auf dem Schulhof oder in einem der anderen Räume gesehen habe.

Ursprung:

Es heißt, dass Hanako-san zu Lebzeiten eine Schülerin war, die in einer Mädchentoilette einer Grundschule umgekommen ist. Hierzu gibt es verschiedene Theorien.

Manche behaupten, sie habe sich in einer Mädchentoilette das Leben genommen, andere behaupten, sie wäre von einem Erwachsenen in der Toilette misshandelt und umgebracht worden und wieder andere behaupten, sie habe sich während des Zweiten Weltkriegs in der Toilettenkabine versteckt, als die Schule von einem Bombenabwurf zerstört wurde.

Die ersten Legenden und Geschichten über Hanako-san lassen sich grob auf die 1950er Jahre zurückführen.

Seitdem wurde die urbane Legende in Japan immer weiter verbreitet, bis sie seit den 1970er Jahren sogar in Filmen, sowie Anime und Manga adaptiert wurde. Diese Umstände haben ebenfalls zu der heutigen großen Beliebtheit beigetragen.

Aufgrund der weiten Verbreitung ist es jedoch unmöglich zu sagen, wie genau Hanako-sans Ursprungslegende war.

Die Legende wird außerdem dazu genutzt, Schüler Dinge zu lehren, wie, dass sie nicht alleine auf die Toilette gehen sollen, oder, dass Schüler mit guten Noten keine Angst vor ihr haben müssten.

Es ist jedoch anzunehmen, dass die urbane Legende als Gruselgeschichte begonnen hat – und nicht, als Lehrmaßnahme.


Wie findet ihr die Legende von Toire no Hanako-san? Hättet ihr an Airis Stelle genauso reagiert? Oder hättet ihr die Mutprobe verweigert? Schreibt es in die Kommentare!

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